Automatisch und ungefragt gefilmt und erfasst werden - nur weil Du einen Zug erreichen willst? Diese orwellsche Vision ist zumindest probeweise für eine Gruppe aus Testpersonen am Berliner Bahnhof Südkreuz Realität geworden. Neben den bürgerrechtlichen Bedenken ist aber auch die konkrete Rechtsgrundlage zweifelhaft. Zudem wurden mehr Daten gesammelt, als die Testpersonen zuvor eingewilligt hatten. Auf diese offenkundigen Probleme haben wir lange vorher hingewiesen und mit einer Kleinen Anfrage bei der Bundesregierung nachgehakt. Die Antworten zeigen deutlich - sein hochproblematisches Prestigeprojekt wollte der Innenminister partout vorm Wahlkampf durchdrücken. Nachdem Digitalcourage aufdeckte, dass erheblich mehr Daten gesammelt werden, muss das Vorhaben nun allerspätestens abgebrochen werden.
Am Bahnhof Berlin-Südkreuz ist das Pilotprojekt zur „intelligenten Videoüberwachung“ an den Start gegangen. Es bestehen in vielerlei Hinsicht erhebliche Zweifel, ob es eine so kluge Idee ist, Orte öffentlichen Lebens wie Bahnhöfe nicht nur mit flächendeckender Videoüberwachung zu überziehen sondern darüber hinausgehend diese mit automatisierter Datenauswertung aufzurüsten. Zum einen sind in bürgerrechtlicher Hinsicht die Anleihen an auf einmal gar nicht mehr so entfernt erscheindende Schreckensszenarien totalkontrollierter Orte und Gesellschaften à la "1984" allzu offensichtlich. Zum anderen gibt es jedoch auch ganz handfeste technologische Probleme, wie schon frühere Anfragen von uns bzw. peinliche Antworten der Bundesregierung zeigen. Ein Grund mehr auch dieses Mal nachzuhaken. Hier findet Ihr schon einmal die Fragen.
Seit 2005, also nunmehr über 10 Jahre, trägt die Union die Verantwortung für die Innenpolitik auf Bundesebene. Die bestehenden Defizite, sei es bei der Flüchtlingspolitik oder den Herausforderungen durch Internationalen Terrorismus, sind somit ausschließlich Versäumnisse ihrer Politik. Die Innenminister hießen de Maizière, Friedrich und wieder de Maizière. Ein immer gleichbleibendes Muster in allen innenpolitischen Debatten ist seitdem zu beobachten: Schuld sind immer die anderen. Staatstragend sein, Verantwortung übernehmen – Tugenden, die einst als originär konservativ galten - das war gestern. Heute zählt für die Union das alte Bundeswehrmotto: Täuschen, Tarnen und Verpissen. Sich zu den eigenen Fehlern, Irrtümern und Versäumnissen zu bekennen, auch mal Verantwortung zu übernehmen - all das scheint für die Innenpolitiker der Union gerade Schnee von gestern. Verantwortliche Innenpolitik macht man so aber nicht.
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