Gestern war der Europäische Datenschutztag. Ihn haben wir zum Anlass genommen, die Bundesregierung, die den Daten- und Verbraucherschutz zum Schwerpunkt ihrer Arbeit in dieser Wahlperiode machen wollte, an ihr Versprechen zu erinnern. Vor dem Hintergrund der neuesten AGB-Änderungen von Facebook hatte der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages, Richard Allan, Leiter der Unternehmenskommunikation Europa von Facebook eingeladen. Außerdem standen Prof. Dr. Johannes Caspar, Hamburger Datenschutzbeauftragter mit Zuständigkeit für Facebook und der Parlamentarische Staatssekretär des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz dem Ausschuss zur Diskussion zur Verfügung. An dieser Stelle möchte ich kurz von der gestrigen Sitzung berichten.

Die neuste AGB-Änderung Facebooks, die aufgrund anhaltender Nutzerproteste und technischer Probleme schon einmal verschoben werden musste, steht nun unmittelbar vor der Tür. Klar ist: Es handelt sich hierbei mitnichten um die erste AGB-Änderung des Unternehmens. In der Vergangenheit waren es immer wieder ähnliche Änderungen, die Diskussionen über den Datenschutz des Konzerns hervorriefen. Wir führen diese Diskussionen seit nunmehr mehreren Jahren. Dennoch lohnt es sich, die neuen AGB-Änderungen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie sind nicht nur von der Qualität der Änderungen und ihrer Bedeutung für den Grundrechtsschutz hoch relevant, zudem haben sich auch die Vorzeichen der Diskussion seit der letzten AGB-Anpassung signifikant verändert.

Wie gesagt, wir führen die Diskussion um den Datenschutz bei Facebook seit Jahren, auch und gerade im Parlament. Wir erkennen an, dass sich Facebook der Debatte mittlerweile stellt und um Transparenz bemüht ist, das war in den vergangenen Jahren leider nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig sind wir über das Vorgehen der Bundesregierung stark verwundert. In der letzten Legislaturperiode hatte sich nicht nur die Enquete-Kommission immer wieder mit der Thematik beschäftigt. Als Grüne Bundestagsfraktion hatten wir Ende 2011 einen sehr umfangreichen Antrag zum Datenschutz in sozialen Netzwerken (pdf) vorgelegt und die Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass Facebook schon damals gegen deutsches Recht verstieß, aufgefordert, sich endlich für den Grundrechtsschutz der 25 Millionen deutschen Nutzerinnen und Nutzer einzusetzen.

In unserer Initiative machten wir insgesamt knapp 30, sehr konkrete Vorschläge, wie der Datenschutz in sozialen Netzwerken effektiv verbessert werden könnte. Unter anderem forderten wir Klarstellungen im Telemediengesetz (TMG), im Telekommunikationsgesetz (TKG), im Bundesdatenschutzgesetzt (BDSG) und auf europäischer Ebene. Wir forderten ein Recht der Nutzerinnen und Nutzer auf Löschung ihrer Daten, wir forderten die Bundesregierung auf, sicherzustellen, dass auch die pseudonyme und anonyme Nutzung des Netzwerks möglich ist (wie es das TMG fordert), wir setzen uns für mehr Transparenz bei Datenverarbeitung und ein Verbot der Profilbildung ohne aktive Einwilligung ein, ebenso für eine Ausweitung des sogenannten „Kopplungsverbots“, für verbesserte Informationspflichten, ein Recht auf die Transportabilität der eigenen Daten in andere, datenschutzfreundlichere Netzwerke, einen besonderer Schutz der oftmals jugendlichen Nutzerinnen und Nutzer etc. pp.

Um es kurz zu machen: Die Bundesregierung nahm keinen einzigen unserer Vorschläge auf. Sie setzte allein auf Selbstverpflichtungen. Wie erfolgreich dieser Weg war, sehen wir heute. Zurecht wurde der Schritt der damaligen Verbraucherschutzministerin, Facebook medienwirksam zu boykottieren, aber darüber hinaus nichts für den Grundrechtsschutz der Nutzerinnen und Nutzer zu tun, scharf kritisiert.

Die Bundesregierung verwies, um vom eigenen Unwillen zur Regulierung abzulenken, bislang stets darauf, dass der nationale Gesetzgeber angesichts eines multinationalen Unternehmens wie Facebook schnell an seine Grenzen käme und die Frage, ob deutsches und europäisches Recht anwendbar sei, aus ihrer Sicht unklar sei. Dies haben wir immer kritisiert und auf die aus unserer Sicht durchaus gegebene Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers verwiesen. Spätestens seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum „Recht auf Vergessen“ wissen wir, dass durchaus europäisches und nationales Recht Anwendung findet. Obwohl nunmehr klar ist, dass die Bundesregierung in der Pflicht ist, den Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger, auch in sozialen Netzwerken, sicherzustellen, will die Bundesregierung noch immer nicht handeln. Sie ergeht sich lieber weiterhin in Placebo-Aktionen und wälzt die eigene Verantwortung auf die europäische Ebene ab. Das wurde im Zuge der gestrigen Rechtsausschuss-Sitzung noch einmal sehr deutlich.

Im Vorfeld der Anhörung hatte der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, Ulrich Kelber, einen Brief an Facebook geschrieben, der es in sich hat. In dem Brief macht die Bundesregierung unmissverständlich klar, dass auch sie die neueste AGB-Änderung als nicht mit deutschem Recht zu vereinbaren ansieht.  Diese klaren Worte begrüßen wir ausdrücklich. Das öffentlichkeitswirksame Schreiben von Briefen allein reicht aber eben nicht. Wenn die Bundesregierung nicht erneut den „aignerschen Weg“ einschlagen will, müssen konkrete, auch gesetzgeberische Schritte folgen, auch um die Datenschutzaufsichtsbehörden in ihren Bemühungen zu stärken.

In diesem Zusammenhang hat es uns schon sehr verwundert, dass während der gestrigen Sitzung kein Vertreter des für den Datenschutz innerhalb der Bundesregierung zuständigen Innenministeriums anwesend war. Auf meine konkrete Nachfrage, ob von Seiten der Bundesregierung konkrete gesetzgeberische Schritte zu erwarten sind, verwies man erneut allein auf die EU-Datenschutzreform, die in absehbarer Zeit käme. Zweifellos würde die EU-Reform konkrete Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher bringen. Genauso zweifellos steht aber fest, dass die Bundesregierung, um es vorsichtig auszudrücken, den Reformprozess in den letzten Jahren nicht gerade aktiv vorangebracht hat, sondern vielmehr immer wieder als Bremser aufgefallen ist.

Die anhaltende gesetzgeberische Verweigerungshaltung der Bundesregierung ist vor dem Hintergrund der sehr klaren Aussagen im Kelber-Brief nicht zu verstehen. Die Bundesregierung kann nicht einerseits sagen, dass Facebook klar gegen deutsches Recht verstößt, dann aber, obwohl die Verantwortung, diesen Zustand abzustellen, klar auch bei ihr liegt, allein auf die EU-Ebene verweisen. Wir werden Union und SPD auch weiterhin an ihr Versprechen, den Daten- und Verbraucherschutz zum Schwerpunkt ihrer Arbeit zu machen, erinnern. Die Zeit läuft. Eine weitere Chance wurde soeben vertan.

Heute Morgen habe ich dem Inforadio ein Interview zum Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Facebook gegeben, das ihr direkt auf den Seiten des Senders nachlesen und –hören könnt.

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