Die heutige öffentliche Anhörung im Innenausschuss zum „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680“ (19/467419/5414) hat eines deutlich gemacht: Wenn die Große Koalition bezüglich ihrer Vorlage nicht noch an entscheidenden Stellen nachbessert, verstößt sie sowohl gegen Europa- als auch Verfassungsrecht. Deutliche Kritik gab es auch am Vorgehen der Bundesregierung, ein sogenanntes Omnibusgesetz vorzulegen. Der Gesetzentwurf sieht laut Bundesregierung in 154 Fachgesetzen fast aller Ressorts Änderungen vor.

Die Anhörung, die ihr hier als Video nachschauen könnt, fand ohne die Bundesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) statt. Wir hatten ihre Teilnahme wiederholt beantragt, doch dieser Antrag wurde von der Großen Koalition in einem fragwürdigen parlamentarischen Verfahren schlicht ignoriert und eine Teilnahme so verhindert. Sehr offensichtlich wollte man sich den Ausführungen der Datenschutzbeauftragten nicht stellen – die BfDI hatte in einer umfangreichen schriftlichen Stellungnahme zu zahlreichen Änderungen der überwiegend in ihre Zuständigkeit fallenden Bundesgesetze zum Teil heftige Kritik geäußert hatte.

So weist Frau Vosshoff völlig zu Recht auf jetzt von der Großen Koalition geplante, auch aus unserer Sicht gravierende Verschlechterungen des bundesdeutschen Datenschutzniveaus durch das nun vorgelegte zweite Datenschutzanpassungsgesetz der GroKo hin. Entgegen der vollmundigen Beteuerungen der Bundesregierung könnten etwa zukünftig gesetzliche Krankenkassen, per Einwilligung der betroffenen Patienten, besonders sensible Patientendaten für weitere eigene Verarbeitungszwecke verwenden. Damit wird dem Missbrauch gerade im Bereich des Umganges mit den besonders schützenswerten medizinischen Daten zulasten der Bürgerinnen und Bürger Tür und Tor geöffnet. Die Große Koalition aus SPD und CDU will vielmehr in einem weiteren Anflug von Klientelpolitik zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherungen jegliche bußgeldbewehrte Ahndung von Datenschutzverstößen von gesetzlichen Krankenkassen verhindern.

Statt sich mit diesen und vielen weiteren guten Hinweisen für einen verfassungsrechtlich und europarechtlich zulässigen Gesetzesentwurf auseinanderzusetzen, trat in der Anhörung die völlige Uneinigkeit der Großen Koalition offen zutage und wurde durch das Stellen von Fragen an bestimmte Sachverständige dokumentiert, die gegenwärtig überhaupt nicht im Gesetzentwurf enthalten sind. So drehte sich für mehrere, durch die Regierungskoalition benannte Sachverständige die Anhörung offenkundig allein um die Frage, ob und im welchem Umfang das weltweit hochangesehene Institut der betrieblichen Datenschutzbeauftragten beschränkt oder gar ganz abgeschafft werden kann – ein Anschlag auf das hierzulande zum Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger bestehende Schutzniveau beim Umgang mit deren persönlichen Daten. Ferner ging es ersichtlich auch um einen weiteren, schwelenden und ungelösten Konflikt in der Koalition zur Frage, ob Unternehmen weiterhin Abmahnungen gegen Datenmissbrauch von Mitbewerbern aussprechen dürfen, eine seit Jahrzehnten geübte Praxis, die nun aber – mit Unterstützung eines Sachverständigen der bayrischen Staatregierung – gekippt werden soll.

Diese Debatten führten nicht nur am vorliegenden Gesetzentwurf vorbei, sondern sind auch für sich gesehen fehlgeleitet. Sie sind Teil einer nach dem Inkrafttreten der DSGVO teilweise kampagnenartig vorangetriebenen Verunglimpfung dieses wichtigen Reformwerkes, auf das wir und andere wiederholt aufmerksam gemacht und unseren Teil dazu beigetragen haben, derartige Mythen zu entkräften. Zudem haben wir die Bundesregierung auf einige der angesprochenen Probleme vor Monaten in einem Entschließungsantrag (pdf) aufmerksam gemacht und sie aufgefordert, sich den offenen Fragen anzunehmen und für die notwendige Rechtsklarheit zu sorgen.

Die behauptete Abmahnwelle ist bis heute ausgeblieben, es besteht daher überhaupt kein Anlass, hier gewissermaßen im Vorgriff auf eine nie realisierte Gefahr wesentliche Instrumente abzuschwächen, die den Vollzug von Schutzbestimmungen des Datenschutzes sichern. Es ist vielmehr der durchsichtige Versuch, die Durchsetzung der DSGVO zu schwächen – gegen die immer von Seiten der Bundesregierung, genau dies nicht zu tun.

Daten sind in unserer digitalisierten Welt ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Die Möglichkeit von Unternehmen gegen Wettbewerber vorzugehen, die sich durch Rechtsbrüche gezielt Vorteile verschaffen, dürfen wir nicht beschneiden. Und gerade die Datenschutzbeauftragten in den Betrieben sind die vielleicht wichtigste Garantie dafür, dass in den Betrieben noch vor jeglicher Befassung der ohnehin überlasteten Datenschutzbehörden ein grundlegender Schutz von Kunden und Mitarbeiterdaten sichergestellt wird. Auch hier gibt es daher gegenwärtig keinerlei konkreten Anlass, dieses wichtige Instrument zum Schutz der Compliance der Unternehmen und des Schutzes der Rechte der Bürger in den Betrieben zu beschneiden.

Der von uns Grünen als Sachverständige Prof. Hartmut Aden wies in seiner schriftlichen Stellungnahme, zusammen mit einigen anderen Sachverständigen dankenswerterweise zudem darauf hin, dass auch die Vorschläge zur 75-tägigen Speicherung von Verkehrsdaten der mehr als 800.000 Anschlüsse der Einsatz- und Rettungskräfte im sogenannten BOS-Digitalfunk schweren verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Während der Jamaika-Sondierungen war selbst die Union bereits von der Vorratsdatenspeicherung als Instrument aus der Mottenkiste der Sicherheitspolitik abgerückt. Dass die Große Koalition nun plant, die Vorratsdatenspeicherung im Digitalfunk für Polizeien, Rettungskräfte und zukünftig auch die Bundewehr in diesem Gesetzentwurf erneut einzuführen und damit den Digitalfunk anlasslos unter Generalverdacht stellen will, ist angesichts des in Kürze erwarteten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung einfach absurd.

Hier findet ihr die Stellungnahmen aller geladenen Sachverständigen.

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