Nach dem Gesetzesentwurf zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, den das Innenministerium nach dem Anschlag auf dem berliner Breidscheidplatz auf den Weg gebracht hat, soll das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Zukunft Handys und andere Datenträger von Geflüchteten auslesen dürfen.

Die vorgesehene Gesetzesänderung bedeutet sowohl hinsichtlich fundamentaler rechtsstaatlicher Grundsätze, als auch in Bezug auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz erhebliche Einschnitte für viele Geflüchtete.

Während das BAMF behauptet, durch das Auslesen Asylbewerberinnen die Plausibilität ihrer Anträge erleichtern und lediglich Geo- und andere Metadaten prüfen zu wollen, sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die Behörde die Speichermedien vollständig auf ihre Server kopieren darf. Eine entsprechende Einschränkung auf Metadaten findet sich in dem Gesetzestext nicht. Die Mitarbeiter des BAMF hätten dadurch Zugriff auf den gesamten Emailverkehr, Chatverläufe, persönliche Foto- und Videoaufnahmen etc. und somit auch auf den Kernbereich privater Lebensgestaltung der Geflüchteten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt jedoch aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde, dass jedem (also nicht nur deutschen Staatsbürgern) ein absolut geschützter Kernbereich verbleiben muss, der einem Zugriff durch den Staat entzogen ist. Die in der Gesetzesbegründung vorgesehene diesbezügliche Einschränkung der geplanten Maßnahmen wird in der Praxis schlichtweg nicht feststellbar sein. Zumal der Zusatz, dass sich die Maßnahme, um für unzulässig erklärt zu werden allein auf Erkenntnisse aus dem Bereich privater Lebensgestaltung richten muss, im Umkehrschluss bedeutet, dass Erkenntnisse, die quasi als „Nebenprodukt“ einer Auslesung erlangt werden, dennoch als zulässig anzusehen wären. Dies bedeutet nicht nur einen Angriff auf die Rechte der Geflüchteten, sondern weicht die Grenze für die Zulässigkeit staatlicher Grundrechtseingriffe generell auf. Auch hinsichtlich wesentlicher Grundrechte, die im Gegensatz zum Kernbereich privater Lebensführung, grundsätzlich durch Gesetz eingeschränkt werden können, wie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme verstößt die Neuregelung gegen den für Grundrechtseingriffe seitens des Staates geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Befürworter argumentieren unter anderem damit, dass im Aufenthaltsgesetz bereits eine gesetzliche Grundlage besteht, die eine entsprechende Befugnis für die Ausländerbehörden vorsieht. Abgesehen davon, dass auch diese Regelungen ernsthaften rechtsstaatlichen Bedenken begegnet, ist ein entscheidender Unterschied, dass sich die bestehende Regelung auf ausreisepflichtige Personen bezieht, deren Verfahren bereits abgeschlossen ist. Die nun vorgesehene Bestimmung sieht jedoch vor, dass entsprechende Maßnahmen bereits zu Anfang des Asylverfahrens durch das BAMF durchgeführt werden. Nach der Stellungnahme des bayrischen Innenministeriums zu dem Gesetzesentwurf dient der Gesetzesentwurf in erster Linie dazu gegen sogenannte Sicherheitsgefährder vorzugehen. Neu ankommende Geflüchtete, werden somit unter den Generalverdacht der Terrorismusunterstützung gestellt. Dadurch droht nicht nur eine mindestens zweifelhafte Ausdehnung des Gefahrenabwehrrechts. Auch lassen sich die geplanten Maßnahmen nur schwer mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Unschuldsvermutung vereinbaren.

Auch wenn immer wieder gesagt wird, dass es sich lediglich um einzelfallbezogene Maßnahmen handeln soll, so spricht die für die Umsetzung vorgesehene Infrastruktur eine deutlich andere Sprache. De facto werden die Identitätspapiere zudem häufig von Schleusern eingezogen oder zerstört oder gehen auf der Flucht auf andere Weise unverschuldet verloren. „Nach der in vielen Bescheiden geäußerten Auffassung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gehört es geradezu zur Definition eines Verfolgten, dass er keinen Pass besitzt“ so der Jesuiten Flüchtlingsdienst in seiner Stellungnahme. Laut Bundesinnenministerium wären 2016 rund 50 – 60 % aller Asylbewerberinnen für eine solche Maßnahme in Betracht gekommen. All das spricht eher für den Regel- als für den Einzelfall.

Eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen Ausländerbehörde und BAMF besteht jedoch darin, dass keine der Behörden über ausreichend geeignetes Personal verfügt, um die Vorgabe, dass die Auswertung nur von Volljuristen durchgeführt werden darf in der Praxis umzusetzen. Bei den derzeitigen Zuständen im BAMF ist es nur schwer vorstellbar, dass die Behörde in der Lage sein wird dies gewährleisten zu können. Davon abgesehen ist es verfassungsrechtlich überhaupt höchstproblematisch, dass eine solche Maßnahme ohne Richtervorbehalt durchgeführt werden soll. Das Auslesen von Handys ist bislang lediglich im Strafverfahren möglich und dort, aufgrund des damit verbundenen schwerwiegenden Grundrechtseingriff, eben auch nur unter Richtervorbehalt. Asylbewerberinnen, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, würden demnach schlechter gestellt als ein Beschuldigter im Strafverfahren.

Die gesicherte Feststellung der Identität von einreisenden Asylsuchenden ist unbestreitbar ein wichtiges Anliegen. Angesichts dessen, dass der Nachweis der Identität unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung eines gesicherten Aufenthalts ist, liegt deren Feststellung nicht nur im Interesse des Staates, sondern ebenso im Interesse der Asylbewerberinnen selbst. Nichtsdestotrotz können grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien sowie Persönlichkeitsrechte und Datenschutzbestimmungen zu diesem Zweck nicht einfach übergangen werden. Als Jedermann-Grundrecht sind sie Ausfluss der Menschenrechte und gelten für Deutsche wie Ausländer gleichermaßen. Durch die Pläne des Bundesinnenministeriums würden Geflüchtete zu Menschen zweiter Klasse degradiert. Ein derartiges Vorhaben würde die Glaubwürdigkeit des vielbeschworenen deutschen Rechtsstaates erheblich gefährden.

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