Mit unserer erneuten Kleinen Anfrage zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger wollten wir der Bundesregierung auf den Zahn fühlen – und wurden erwartungsgemäß enttäuscht. Ihr Koalitionsversprechen, das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ausgiebig zu evaluieren, wird sie nicht gerecht – mehr noch, scheint sie die Arbeit quasi zu verweigern.

 Die Antworten der Bundesregierung sind daher nicht nur enttäuschend, sondern auch eine Unverschämtheit.

Sie kann – trotz der langen Zeit und vielen Versprechungen – bis heute keine neuen Erkenntnisse vorlegen, noch überhaupt sagen, wann ein Ergebnis der Evaluierung vorliegen soll. Auch Zwischenergebnisse ihrer angeblichen Arbeit oder aus der umfangreichen Konsultation der Stakeholder kann sie nicht liefern. Mit keinem Wort wird gesagt, wie das anvisierte Ziel des Gesetzes – die Gewährleistung eines gut funktionierenden Marktes für die Verwertung von Werken und anderen Schutzgegenständen – auch nur ansatzweise sichergestellt werden konnte.

Die Antworten offenbaren vielmehr eine untätige bis trotzige Bundesregierung: Wer mit der Evaluation in ihrem Hause wie lange beschäftigt ist – keine Ahnung. Mitarbeiter würden angeblich umfangreiche „in- und ausländische Literatur“ studieren. Nur: Mit welchem Ergebnis? Scheinbar keines. Auch zu einem so wesentlichen Punkt, ob Grundfreiheiten betroffen sein könnten, kann sie keine Einschätzung geben. Treffen mit Externen, Erkenntnisse aus der Befragung der Stakeholder? Fehlanzeige: Fraglich bleibt dabei nur, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann überhaupt praktische Erfahrungen auswerten wollen. Auch ansonsten scheint die Evaluation eher auf dünner Grundlage gebaut: Auf die Frage, ob Anwälte, Lobbyisten, Verleger oder Journalisten von dem Gesetz profitiert haben, kann die Bundesregierung ausschließlich Zahlen der VG Media anführen – und diese noch nicht einmal bewerten.

 So ist es dann nur wenig verwunderlich, dass die Bundesregierung die umfassende Kritik weiterhin zu ignorieren scheint. Zuletzt erklärte El Pais, eine der größten spanischen Tageszeitungen, das Gesetz für gescheitert und kontraproduktiv und hatte eine Abkehr angemahnt. Die Befürchtung, das Gesetz drohe gerade für kleine und spezialisierte Online-Medien eine Innovationsbremse zu sein, scheint sich zu bewahrheiten. Auch von juristischer Front geht es dem Gesetz immer mehr an den Kragen: Das Landgericht Berlin vermutete gravierende verfahrensrechtliche Fehler des deutschen Leistungsschutzrechts wegen fehlender Notifizierung. Auch für eine europäische Version des Gesetzes gibt es schlechte Nachrichten: Ein vom eco Verband beauftragtes Gutachten geht davon aus, dass die EU-Kommission damit sowohl selbst definierte Grenzen als auch ihre Binnenmarktkompetenz überschreiten würde, das Gesetz sei weder mit der E-Commerce-Richtlinie noch mit europäischen Grundrechten vereinbar.

 Die Bundesregierung sieht trotz allem den Plan eines europäischen Leistungsschutzrechts positiv. Es besteht nur noch die Hoffnung, dass Oettingers Projekt scheitert – und dafür sprechen einige Signale. So haben bereits Oettingers eigene Leute die Gefolgschaft verweigert: Die zuständige Verhandlungsführerin Therese Comodini Cachia etwa lehnt in ihrem Bericht ein europäisches Leistungsschutzrecht komplett ab. Und auch in der sozialdemokratischen Fraktion formiert sich Widerstand.

 Eigentlich kann man nur noch ein letztes Mal appellieren, die Energie statt in dieses Gesetz, endlich für erfolgversprechendere Maßnahmen einzusetzen: Zum Beispiel mit Erleichterungen, wie Steuerermäßigungen oder auch Vorschläge für Stiftungsfinanzierungen. Gleichzeitig sollten die Verlage ihre digitale Strategie, die erste Früchte trägt, ausbauen und weiter denken. Vielleicht brächte es ihnen mehr, eine Kooperation mit den vermeintlichen Gegnern Google & Co. und gemeinsame Wege zu beschreiten. Das bedeutet nicht, seine Prinzipien aufzugeben: Die Verlage, allen voran die Journalistinnen und Journalisten, müssen angemessen entlohnt werden. Es braucht daher einen öffentlichen Diskurs über den Wert von Journalismus: Auf Dauer können wir hochwertigen Journalismus nicht gratis erwarten.

 

 

 

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