Nur ein Tag, nachdem sich die Bundesregierung mal wieder für die ja ziemlich magere Erfolgsbilanz ihrer Digitale Agenda vor allem selbst feierte, kam sie schon wieder im Alltag an. Denn sobald es jenseits von IT-Gipfeln und PR-Events konkret wird, stellt sich schnell die großkoalitionäre Tristesse im Digitalen ein: ministerielles Kompetenzgerangel, symbpolpolitischer Aktionismus und Scheu vor einer mutigen Gestaltung für Verbraucher- und Bürgerrechte – auch gegen den Druck von Wirtschafts- und Überwachungsinteressen.

Zwar mag das „Dritte Gesetz zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes“ technisch klingen, doch damit werden in Deutschland zentrale EU-Vorgaben für digitale Verbraucherrechte und Wettbewerbsregeln angewandt, die viele im leidgeplagten Verbraucheralltag gut gebrauchen könnten: Von Zero-Rating, Roaming und nicht gewünschten Extraposten auf der Telefonrechnung über nicht eingehaltene Breitbandzusagen bis zu Scherereien bei intransparenten Vertrags- und Entschädigungskonditionen.

Leider aber setzt die Bundesregierung die EU-Verordnung in diesen zentralen Punkten so lückenhaft um, dass das eigentliche Ziel, einen fairen Wettbewerb zu garantieren und Verbraucherinnen und Verbraucher effektiv zu schützen, auch zukünftig nicht erreicht wird. Obwohl über Jahre diskutiert wurde und praktikable Vorschläge zu einer wirksamen Regulierung und Sanktionierung solcher Anbieter seit langem vorliegen und im parlamentarischen Verfahren ebenso von Verbraucherverbänden wie vom Bundesrat eingefordert wurden.

Gegen diesen Minmalansatz haben wir mit unserem Entschließungsantrag konkrete Vorschläge vorgelegt: höhere Breitband-Mindeststandards, nutzerfreundliche Vertrags- und Entschädigungsregeln sowie effektive Prüf- und Sanktionsmöglichkeiten für die Bundesnetzagentur.

Fall StreamOn: Netzneutralität darf nicht durch Hintertür aufgebohrt werden

Derzeit prüft die Bundesnetzagentur das neue StreamOn-Angebot der Telekom. Dieser Vorstoß des Marktführers, einen vorgeblich diskriminierungsfreien weil rein formal allen Inhalteanbietern offen stehenden Zero Rating-Tarif einzuführen, ist exemplarisch: Gerade hier muss die Aufsichtsbehörde genau prüfen können, inwiefern die Marktmacht großer Anbieter in der Praxis nicht doch zu versteckter Diskriminierung kleinerer Start-Ups oder Kundennachteilen wie am Ende wieder gedrosselten Videodiensten im konkreten Verkehrsmanagement führt.

Doch just an diesen Punkten wendet die Bundesregierung viel zu unentschlossen die europäischen Mindestvorgaben für die Netzneutralität an: Statt der Bundesnetzagentur die nötigen Spielräume für klare Transparenz-, Prüf- und Zulassungsregeln zu geben, schwächt sie diese sogar noch – entgegen den Empfehlungen von Bundesrat und europäischen Regulierungsbehörden. So droht weiterhin ein neutrales und damit nutzer- und innovationsfreundliches Netz durch die Hintertür aufgebohrt zu werden. Nun muss Berlin dringend die künftige Entwicklung evaluieren und aller Wahrscheinlichkeit nachbessern.

„bis zu X Mbit/s“: Klare Standards, Schadensersatz und Sanktionen bei Breitband-Zusagen

Ähnlich grundlegend für die digitale Teilhabe und Entwicklung ist ein schneller Internetzugang. Mal abgesehen vom Versagen bei der nötigen Infrastrukturplanung halten auch Anbieter immer wieder ihre aus der Werbung altbekannten „bis zu X Mbit/s“-Zusagen nicht ein – das belegen zahlreiche Qualitätsstudien und auch der Selbsttest im Grünen Breitband-Check. Die tatsächliche Bandbreite darf keine Überraschungsbox sein. Daher brauchen wir transparente und verbindliche Mindeststandards: Die minimale Datenübertragungsrate darf nicht unterhalb von 70 Prozent der maximalen Übertragungsrate liegen und die normalerweise zur Verfügung stehende Datenübertragungsrate sollte mindestens an 95 Prozent eines Tages auch tatsächlich zur Verfügung stehen.

Bei Verstößen braucht es spürbare Sanktionen und eine praktikable Entschädigungsmöglichkeit. Daher fordern wir pauschalisierte Schadenersatzansprüche, ein Sonderkündigungsrecht und ein Recht auf Tarifanpassung. Hier besteht derzeit eine große Schutzlücke für Betroffene. Schließlich können diese ja auch nicht nur „bis zu 100 Prozent“ der Telefonrechnung bezahlen.

Extraposten auf Telefonrechnung und Vertragslaufzeiten

Ein weiteres Verbraucherärgernis sind unzulässige Abbuchungen und Abofallen über die Mobilfunkrechnung, auch bekannt als WAP-Billing. Zwar hat sich die Bundesregierung in diesem Punkt mit einem neuen Bestätigungsverfahren nun doch noch etwas bewegt. Aber sie ist mal wieder auf halber Strecke stehen geblieben. Aus unserer Sicht braucht es zusätzlich eine voreingestellte Drittanbietersperre, die man zugleich auf einfache Weise wieder pauschal oder selektiv aufheben kann. So die Möglichkeit diese Bezahlmethode ganz bewusst gezielt für gewünschte Anbieter zuzulassen.

Zudem sind Verträge mit einer 24-monatigen Laufzeit und einer anschließenden automatischen Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr angesichts eines dynamischen Marktes nicht mehr zeitgemäß. Die Bundesregierung verpasst es an dieser Stelle mal wieder, im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher zu agieren. Die maximale Mindestvertragslaufzeiten sollten auf 12 Monate reduziert werden und anschließend nur noch eine monatliche Kündigungsfrist gelten.

Hier könnt Ihr die Bundestagsdebatte nachverfolgen und hier Tabeas Rede anschauen:

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