Im Februar fand die erste Beratung des Bundestags über den Entwurf der Bundesregierung zur Novellierung des BKA-Gesetzes statt. Das im Jahr 2008 aller Bedenken zum Trotz verabschiedete Gesetz wurde im April 2016 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für teilweise verfassungswidrig erklärt. Auch mehrere Grüne hatten gegen das Gesetz geklagt. Das BVerfG bemängelte unter anderem, dass das Gesetz weder den Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung, noch den notwendigen Schutz von Berufsgeheimnisträgern gewährleiste. Auch die oftmals fehlende richterliche Kontrolle wurde beanstandet. Darüber hinaus zeigte das Gericht dem Gesetzgeber weiteren Handlungsbedarf beispielsweise in Bezug auf den grenzüberschreitenden Austausch personenbezogener Daten auf.

Der Entwurf des Bundeskabinetts zur Novellierung des BKA-Gesetzes erfüllt nun gleich mehrere dieser Auflagen nicht. Zu dieser Einschätzung gelangten auch die für die heutige Anhörung des Innenausschusses zum BKA-Gesetz geladenen Sachverständigen: Eine klare Mehrheit hielt den Gesetzesentwurf für fragwürdig und übereilt.

Im Bereich der IT-Datenhaltung nimmt die Bundesregierung mit ihrem Gesetzesentwurf einen grundlegenden Paradigmenwechsel vor. Alle Datensätze des BKA sollen übergreifend miteinander vernetzt werden. Die gesetzliche Absicherung dieses neuen IT-Konzepts vor Datenmissbrauch aber ist völlig unzureichend. Der zentrale Grundsatz der Zweckbindung wird bewusst ausgehebelt, die Errichtungsanordnung ersatzlos abgeschafft und eine Überprüfung der Dateien so verunmöglicht.

Die als Sachverständige geladene Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff betonte in der heutigen Anhörung, sie stehe einer Modernisierung der IT grundsätzlich nicht entgegen. Die Probleme der IT-Infrastruktur des BKA lägen jedoch offensichtlich in den notwendigen Abstimmungsprozessen zwischen Ländern und Bund und nicht bei der Struktur der Dateien selbst. Die vorab eingereichte Stellungnahme Voßhoffs könnt Ihr hier (pdf) nachlesen.

Darüber hinaus sieht der neue Gesetzesentwurf nun die Möglichkeit der präventiven Überwachung von „Gefährdern“ durch elektronische Fußfesseln vor. Dieser Vorschlag ist nicht nur ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte, sondern ist darüber hinaus auch wenig effektiv. Das beweist unter anderem das Beispiel des Mordes an einem Priester in Nordfrankreich, der trotz Fußfessel begangen wurde. Der CDU-Innenpolitiker Patrick Sensburg drohte in der Plenardebatte im Februar an, eine Anwendung der elektronischen Fußfessel vor der Berliner Demo zum 1. Mai sei für ihn denkbar.

Und auch der Schutz von Berufsgeheimnisträgern wird durch den Gesetzesentwurf bedroht. Das verfassungsrechtlich in seiner Vertraulichkeit geschützte Gespräch mit Ärztinnen und Psychotherapeuten ist in dem Entwurf der Koalition unzureichend geschützt. Bei Gesprächen insbesondere mit Psychotherapeuten ist ein absoluter Schutz der Vertraulichkeit gegen zwangsweise Eingriffe geboten. Wenn Betroffene mit dieser Vertraulichkeit nicht rechnen können, werden sie sich Psychotherapeutinnen nicht anvertrauen. Dies ist kontraproduktiv, denn gerade im therapeutischen Gespräch können Psychotherapeuten dazu beitragen, Menschen zu stabilisieren und vor Straftaten und Gefahrensituationen bewahren. Die Vertrauensbeziehung von Patienten zu ihren Psychotherapeuten ist ebenso schützenswert wie die von Rechtsanwältinnen zu ihren Mandanten. Geheimnisse aus der Psychotherapie sind dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzuordnen, in den einzudringen staatlicher Gewalt nicht gestattet ist.

Als Grüne sind wir angesichts der Herausforderungen durch Terror und organisierte Kriminalität entschlossen, rechtsstaatlich und effektiv unsere Sicherheitsbehörden und die Polizeiarbeit zu modernisieren und zu stärken. Statt einer Ausweitung von Massenüberwachungsmaßnahmen brauchen wir top ausgestattete Sicherheitsbehörden, die gezielte Polizeiarbeit bei konkretem Verdacht ermöglichen, moderne rechtsstaatliche Konzepte, sowie klare Verantwortlichkeiten und entsprechende Kontrollen.

Im Eilverfahren versuchte die Große Koalition das Gesetzesvorhaben durch den Bundestag zu peitschen. Nachdem wir erst im Februar über das BKA-Gesetz in erster Lesung im Plenum diskutiert hatten, sollte es diese Woche in der Hoffnung, möglichst wenig Aufmerksamkeit und Widerspruch auf sich zu ziehen, bereits verabschiedet werden. Gegen dieses Vorgehen haben wir Grüne protestiert und konnten einen Erfolg erzielen: Das BKA-Gesetz wird auf unser Drängen hin nun doch noch nicht in dieser Woche verabschiedet.

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