Der zum 9. Mal von der EU initiierte Aktionstag steht dieses Jahr unter dem Motto „Play your part for a better Internet“. Er erinnert an die Notwendigkeit eines aktiven Einsatzes für ein freies und offenes Internet, in dem die Daten von Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern geschützt sind.

Auf ihre sich auch aus der Verfassung ergebende Verantwortung machen wir die Bundesregierung seit langem aufmerksam. Statt sich für ein demokratisches Internet mit höchsten Schutzstandards zu engagieren, boykottiert sie die Aufklärung des von Edward Snowden aufgedeckten Überwachungs- und Geheimdienstskandals, stellt grundlegende demokratische Strukturen wie die Netzneutralität offen in Frage und tut insgesamt nichts, um Datenschutz und Datensicherheit effektiv zu erhöhen.

IT-Sicherheitspolitisch ist die Bundesregierung ein echter Unsicherheitsfaktor. Sie agiert immer wieder höchst fragwürdig: Die wichtige EU-Datenschutzreform hat sie über Jahre ausgebremst. In Sachen „Safe Harbor“ ist sie völlig abgetaucht. Deutschland will sie zum „Verschlüsselungsland Nummer eins“ machen, stellt aber Verschlüsselungsprogramme offen in Frage. Und sie agiert auch weiterhin als Hehler von IT-Sicherheitslücken auf dem Schwarzmarkt.

Statt endlich erste Konsequenzen aus den Snowden-Enthüllungen zu ziehen, dringend notwendige gesetzgeberische Korrekturen vorzunehmen, die parlamentarische Kontrolle zu verbessern und die Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen endlich effektiv zu schützen, plant sie nun, einen IT-Lobbyisten zum Präsidenten des für den Schutz digitaler Infrastrukturen zuständigen Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu machen.

Auch das für die IT-Sicherheit zuständige Bundesinnenministerium muss endlich die Bedeutung eines effektiven Grundrechtsschutzes in der digitalen Welt erkennen und seiner Rolle gerecht werden. Kurskorrekturen zur effektiven Erhöhung von Datenschutz und IT-Sicherheit sind überfällig.

Die Bundesregierung muss von verfassungswidrigen Vorhaben wie der Vorratsdatenspeicherung Abstand nehmen. Das BSI muss unabhängig gestellt, die Aufsichtsbehörden insgesamt gestärkt werden. Mit der Umsetzung der EU-Datenschutzreform in bundesdeutsches Recht steht eine wahre Mammutaufgabe vor uns. Die Bundesregierung muss diese proaktiv annehmen. Die Spielräume der EU-Datenschutzverordnung muss sie nutzen, um klare gesetzliche Grenzen für die Sammlung und Verwertung persönlicher Daten und Informationen zu nutzen.

Datenhungrigen Unternehmen müssen deutliche gesetzgeberische Grenzen aufgezeigt werden. Ob Smart-Metering, autonomes Fahren oder die Auswertung von Gesundheitsdaten, längst liegen Pläne zur umfassenden Algorithmisierung von individuellem Verhalten in den Schubladen, die bestehende Schutzmechanismen wie das Prinzip der Einwilligung ins Leere laufen lassen und, ob in der Versicherungs-, der Finanz- oder Gesundheitswelt, das Ende unserer Solidarsystemen bedeuten.

Die Bundesregierung darf der umfassenden Auswertung persönlicher Daten nicht länger tatenlos zuschauen. Sie muss endlich ihrer Rolle zum Schutz des Individuums  in der digitalen Welt gerecht werden. Zeigt sie Versicherern und Co. keine Grenzen auf, werden diese Systeme implementieren, die Menschen mit Herzschwäche, Krebsrisiko oder anderen Anfälligkeiten ausfindig machen, damit sie aus der Solidargemeinschaft rausfliegen bzw. mehr bezahlen müssen.

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