Nach Bekanntwerden der designierten Nachfolge von BSI-Präsident Hange kurz vor Weihnachten haben wir scharfe Kritik an der Personalie geübt. Die Benennung von Arne Schönbohm als bisherigem Präsidenten des „Cyber-Sicherheitsrates Deutschland e.V.“ wirft zahlreiche Fragen auf.

Gerade angesichts der derzeitigen, massiven Vertrauenskrise in unsere digitale Infrastrukturen die Spitze einer hoch sicherheitsrelevanten Behörde mit einem Lobbyisten der IT-Wirtschaft zu besetzen, wirft ein seltsames Licht auf das Bundesinnenministerium. Arne Schönbohms bisherige beruflichen Stationen, u.a. bei EADS, aber auch im Umfeld verschiedener, durchaus fragwürdiger Firmen aus dem Bereich der digitalen Überwachungs- und Ausspähtechnologie, lassen an seiner Eignung für dieses Amt insgesamt berechtigte Zweifel aufkommen. Hierauf wäre auch im Zuge einer kürzlich im Bundestags-Internetausschuss „Digitale Agenda“ stattgefundenen Anhörung zu Überwachungstechnologien, in der es auch im die Rolle des Bundesamts ging, von den geladenen Experten hingewiesen worden.

Auch dass nun ausgerechnet die Person, die vor kurzem noch am lautesten gegen das von der Bundesregierung vorgelegte IT-Sicherheitsgesetz lobbyierte, dieses Gesetz als Leiter des Bundesamts nun umsetzen soll, ist in der Tat in höchstem Maße verwunderlich. Dem seiner Meinung nach nicht verfassungskonformen Gesetzentwurf des Innenministeriums gab Schönbohm vor kurzem noch „eine glatte Fünf“ und attestierte ihm „gravierende Architekturfehler“. Das erklärte Ziel einer Verbesserung der IT-Sicherheit in Deutschland könne mit diesem Gesetz nicht erreicht werden. Der Entwurf sei „mangelhaft“, eine effektive Abwehr von Gefahren mit ihm „nicht gewährleistet“. Das Gesetz, so Schönbohm, würde die Cybersicherheit lediglich verwalten und stelle keinen Fortschritt dar.

Wer in dieser Art und Weise Kopfnoten für Gesetz und Ministerium verteilt, muss schlüssig darlegen, warum er für dieses offenbar völlig verkorkstes Projekt nun hauptverantwortlich tätig sein will. Bislang vernimmt man jedoch zu alledem kein Wort vom designierten Präsidenten. Das Innenministerium sieht offenbar keine Probleme bezüglich der Benennung und verweist lediglich darauf, dass man klargestellt habe, dass der designierte Präsident als Leiter des Bundesamts sonstige Tätigkeiten ruhen lassen und entsprechende Firmenbeteiligungen abstoßen müsse – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Insgesamt wird man das Gefühl nicht los, dass sich Bundesregierung und Bundesinnenministerium nicht angeschaut haben, wen man da eigentlich an die Spitze des Bundesamts setzen will. Anders konnte ich mir die Personalentscheidung bislang nicht erklären. Um etwas mehr Klarheit zu bekommen, hatten wir noch vor Weihnachten beantragt, das Thema zum Gegenstand parlamentarischer Beratungen in der ersten Sitzung des Innenausschusses im kommenden Jahr zu machen und den Bundesinnenminister zu befragen, wie es zu der Personalentscheidung kam. Am kommenden Mittwoch wird der Innenausschuss (Tagesordnung als pdf) auf Antrag meiner Fraktion einen Bericht des Bundesministers des Innern zur Besetzung und Qualifikation des designierten BSI-Präsidenten erhalten. Wir erwarten vom Minister eine Erklärung, wie es zu der fragwürdigen Entscheidung kam, die schon heute zu erheblichen Irritationen, auch unter den Beschäftigten des Bundeamts selbst, führt.

Zusätzlich hatte ich am 22. Dezember 2015 zwei schriftliche Fragen an die Bundesregierung gerichtet. Mir ging es darum zu erfahren, welche Kriterien zur Auswahl geführt haben, wann sich das Bundeskabinett mit der Personalie beschäftigen wird und welche Gespräche im Vorfeld der Nominierung stattgefunden haben. Nun liegen die Antworten (pdf) vor, über die gerade auch schon Constanze Kurz nebenan auf netzpolitik.org berichtet hat.

Der erste Teil fällt erwartungsgemäß nichtssagend aus, der zweite Teil ist jedoch spannend und lässt durchaus Raum für Spekulationen. So erfahren wir, dass die Personalentscheidung auf höchster politischer Ebene erfolgte und sich der Minister selbst im Vorfeld der Nominierung mit Arne Schönbohm zusammengesetzt und ihn offenbar als „fachlich und persönlich“ für das Amt geeignet empfunden hat. Ein Termin für die notwendige Befassung des Kabinetts steht noch nicht fest. Das ist insofern verwunderlich, als dass der neue Präsident bereits am 2. Februar die Tätigkeit aufnehmen sollte. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass es angesichts der massiven öffentlichen Kritik innerhalb der Bundesregierung Überlegungen gibt, die Frage der Nachfolge zu vertagen oder gar ganz Abstand von der bisherigen Entscheidung zu nehmen. Nach den Ausschussberatungen am kommenden Mittwoch wissen wir diesbezüglich definitiv mehr, vorher wohl leider nicht.

Das bisherige Vorgehen zeigt insgesamt noch einmal sehr deutlich, wie wichtig es ist, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik unabhängig zu stellen, wie dies vor Kurzem bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Andrea Vosshoff, geschehen ist. Dies haben wir in der Vergangenheit immer wieder gefordert – bislang vergeblich. Die Bundesregierung und das für das Bundesamt zuständige Innenministerium fordern wir weiterhin dringend auf, die Personalentscheidung noch einmal zu überdenken. Sonst kann sehr leicht der Eindruck entstehen, dass das Amt bewusst geschwächt werden solle. Das wäre angesichts der stark gestiegenen Herausforderungen an den effektiven Schutz digitaler Infrastrukturen ein verheerendes Signal. Gerade in Zeiten einer massiven IT-Vertrauenskrise braucht es ein effektiv arbeitendes, unabhängiges und kompetentes Amt für Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen.

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