In unregelmäßigen Abständen berichten wir in unserer Rubrik “Aus den Ländern” über Initiativen, Veranstaltungen und Debatten aus dem Bereich Innen- und Netzpolitik in den Bundesländern. Ebenso schreiben ab und an VertreterInnen aus den Ländern über aktuelle Initiativen. An dieser Stelle berichtet Farid Müller, parlamentarischer Geschäftsführer und netzpolitischer Sprecher der Grünen Bürgerschaftsfraktion in Hamburg, in einem Gastbeitrag über die Bemühungen der Hamburger Bürgerschaft berichtet, eine kostenlose WLAN-Infrastruktur für alle Flüchtlingsunterkünfte einzuführen.

Künftig werden die Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg mit nutzerkostenfreiem WLAN ausgestattet. Einen entsprechenden Antrag (http://www.gruene-fraktion-hamburg.de/fluechtlinge-netzpolitik-medien/11-12-2015/wlan-fuer-fluechtlingsunterkuenfte) haben wir Grünen gemeinsam mit der Hamburger SPD im Parlament verabschiedet. Mit dem Zugang zum Internet helfen wir den Flüchtlingen, ihren Alltag in Hamburg besser zu organisieren. Und es erleichtert die Arbeit der haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer vor Ort. Viele Flüchtlinge halten über das Smartphone den Kontakt zu Familienangehörigen und Freundinnen und Freunden aufrecht, die noch im Herkunftsland leben oder selbst auf der Flucht sind. Die Haupt- und Ehrenamtlichen können mit einem Internetzugang ihre Einsätze besser koordinieren und so schnell auf besondere Situationen und Bedarfe reagieren.

Die Vorbereitungen zu diesem Antrag waren verhältnismäßig aufwendig. Zuerst mussten wir herausfinden, warum bisher kaum Unterkünfte in Hamburg mit WLAN ausgestattet waren und wie viel das Projekt eigentlich kosten würde. Als Regierungsfraktion sollte unsere parlamentarische Initiative schließlich mehr Substanz haben als ein Oppositionsantrag – zum Beispiel der Linken.

Erste Überlegungen – wie können wir das organisieren?

Ein Gespräch mit den Hamburger Freifunkern hat ergeben, dass sie bereits für einige Unterkünfte mit der Hamburger Innenbehörde, die für die Zentralen Erstaufnahmen zuständig ist, in der technischen Planung und Kalkulation waren. Auch ein Gespräch mit willi.tel, einem inhabergeführten Hamburger Unternehmen, das einen Großteil des Hamburger Glasfaserkabelnetzes besitzt, war sehr aufschlussreich. Dadurch bekamen wir eine ungefähre Vorstellung über die Anschlusskosten von WLAN in den diversen Unterkünften in Hamburg. Diese Gespräche haben gezeigt: Ganz allein kann die Stadt Hamburg das WLAN-Projekt nicht schultern. Darum haben wir uns folgende Lösung überlegt: Das Bereitstellen von nutzerkostenfreiem WLAN soll über eine Anschubfinanzierung aus den Investitionsmitteln für die Errichtung und den Betrieb von Flüchtlingsunterkünften erfolgen. Ergänzend soll mit Handelskammer, Handwerkskammer, Wirtschaftsverbänden und privaten Spendern ein WLAN-Flüchtlingsfonds eingerichtet werden.

Zwei große Probleme: Störerhaftung und Ausschreibungspflicht

Hinzu kamen Fragen nach der Störerhaftung und einer Ausschreibungspflicht. Das Problem der Störerhaftung ließ sich in diesem Fall lösen, da die Providerfirmen das WLAN-Netz betreiben oder die Initiative Freifunk diese umgeht. Eine Ausschreibungspflicht hätte das Unterfangen um mindestens ein Jahr verzögert. Zumal die Behörden und Landesbetriebe, die mit der Flüchtlingsunterbringung beschäftigt sind, wahrscheinlich nicht die Zeit gehabt hätten, so eine Ausschreibung mit vorzubereiten. Nach längerem Nachdenken sind wir bei den Grünen zu dem Schluss gekommen, dass wir lieber jede Unterkunft einzeln vergeben, so bedarf es keiner Ausschreibung und die Stadt ist im Nachhinein nicht nur von einem Anbieter abhängig. Zumal die Freifunker bei einer Gesamtausschreibung sicher keine Chance gehabt hätten. So können sie sich auf ausgewählte Unterkünfte bewerben. Eine Großunterkunft mit über 2.000 Flüchtlingen in der Nähe des HSV-Stadions ist beispielweise bereits durch Freifunk ans WLAN-Netz angeschlossen. Weitere sind in Arbeit: https://wiki.freifunk.net/Hamburg/Fl%C3%BCchtlinge

Die Deutsche Telekom hat ebenfalls eine Unterkunft –  eine Zentrale Erstaufnahme in Hamburg Harburg – an das WLAN-Netz angeschlossen. Dies war im Spätsommer der Kanzlerin versprochen worden. Die Telekom verpflichtete sich damals mindestens 26 Unterkünfte in ganz Deutschland auf ihre Kosten anzuschließen. Für alle weiteren Unterkünfte will die Telekom jetzt Geld. Nicht nur deswegen sind wir froh, dass Hamburg mit mehreren Anbietern im Gespräch ist. Neben staatlichen Geldern soll dieses Projekt WLAN für Flüchtlingsunterkünfte über Spenden finanziert werden. Wir haben frühzeitig mit der Hamburger Handelskammer Kontakt aufgenommen, um sie zu bitten, die Spendenbereitschaft der Unternehmen für dieses Projekt zu wecken.

Jetzt können Hamburgs Ministerien loslegen und den fast einstimmig verabschiedeten Antrag (außer AFD) umsetzen. Die Abgeordneten von den Grünen und der SPD werden auf eine zügige Umsetzung achten, damit nächstes Jahr die über 80.000 erwarteten Flüchtlinge ans WLAN angeschlossen sind.

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