In der aktuellen Ausgabe berichtet der Spiegel über eine Kleine Anfrage, die ich gemeinsam mit einigen Kollegen zum Thema Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung auf Social Media Kanälen erstellt habe.

Aus der Vorabmeldung des Spiegels:

Die Facebook-Seite der Bundesregierung überschreitet nach Ansicht von Juristen die Grenze zur verbotenen Werbung. „Die Bundesregierung nimmt auf Facebook eindeutig eine Inszenierung vor“, sagte Medienrechtler Matthias Cornils von der Universität Mainz dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL. Denn in dem sozialen Netzwerk informiere die Regierung die Bürger nicht nur, sie moderiere, kommentiere, biedere sich an. „Diese Kommunikation hat stark werblichen Charakter und ist verfassungsrechtlich problematisch“, so Cornils. Das gelte auch für Video-Nachrichten von Regierungssprecher Steffen Seibert, die „rundfunkähnlich“ seien: „Hier spielt der Staat Journalismus.“ Dem SPIEGEL liegt eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion vor, die zeigt, dass die Ausgaben des Bundespresseamtes für Social Media mit 196.350 Euro deutlich höher sind als bisher bekannt. Auch beschäftigt Seibert acht feste Mitarbeiter für die sozialen Medien. „Einen Regierungssender darf es in einer freiheitlichen Demokratie nicht geben“, warnt der grüne Netzpolitiker Konstantin von Notz. Und auch nicht das „bewusste Umgehen kritischer medialer Diskurse“.

An dieser Stelle dokumentieren wir unsere Kleine Anfrage zur „Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung auf Social Media Kanälen“ samt den Antworten der Bundesregierung (pdf). Die Beantwortung hat Regierungssprecher und Staatssekretär Steffen Seibert übernommen.

Hier unsere Vorbemerkung:

Auf verschiedenen Social Media Kanälen informiert die Bundesregierung über ihre Arbeit. Ein eigenes Social Media Team im Bundespressamt betreut mehrere Accounts, unter anderem auf Facebook, Youtube, Twitter, Instagram und Flickr. Zahlreiche Bundesministerien betreiben zusätzliche, eigene Social Media Kanäle. Die grundsätzliche Legitimation und Legitimität von Öffentlichkeitsarbeit der Exekutive steht außer Frage. Auch ist zu begrüßen, wenn staatliche Stellen die vielfältigen Chancen von Digitalisierung und Neuen Medien hinsichtlich eines verstärkten Austauschs mit den Bürgerinnen und Bürgern nutzen. Hierauf hat unter anderem auch die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ der 17. Wahlperiode wiederholt aufmerksam gemacht. Sie hat unter anderem darauf hingewiesen, dass Transparenz und Dialog die Legitimation politischer Entscheidungen zu erhöhen und Politikverdrossenheit entgegenzuwirken in der Lage ist – auch und gerade bei jungen Menschen (vgl. Zwischenbericht der Projektgruppe „Demokratie und Staat“). Gleichzeitig müssen jedoch, dies gilt für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung insgesamt und für das staatliche Informationsangebot im Internet im Besonderen, Fragen beantwortet und verfassungsrechtliche Grenzen eingehalten werden, um eine übermäßige Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung zu verhindern. U.a. vor dem Hintergrund, dass häufig auch inhaltliche Bewertungen des eigenen politischen Handelns vorgenommen werden, stellen sich verschiedene Fragen bezüglich der Aktivitäten der Bundesregierung in den Sozialen Medien.

Hier die den Antworten vorangestellte Vorbemerkung der Bundesregierung:

Die Bundesregierung nutzt erfolgreich Social-Media-Angebote auf Facebook, YouTube, Flickr, Instagram und Twitter als zeitgemäße Erweiterung ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Sie kommt so ihrem verfassungsmäßigen Auftrag zur Information der Bürgerinnen und Bürger über ihre Tätigkeit, Vorhaben und Ziele nach. Diese Angebote sind bürgernah und dialogorientiert. Sie ermöglichen einen unmittelbaren Einblick in das Regierungshandeln und sorgen damit für mehr Transparenz.

Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) betreibt Social-Media-Accounts im Namen der gesamten Bundesregierung, die durch eine Social-Media-Redaktion im BPA betreut werden. Die Bundesministerien stellen darüber hinaus im eigenen Namen Informati­onen im Rahmen ihrer Ressortzuständigkeit über Social-Media-Accounts bereit. Die nachfol­genden Antworten beziehen sich daher, soweit nicht ausdrücklich andere Behörden genannt sind, auf die Nutzung von Social Media im Namen der Bundesregierung durch das BPA.

Bewertung der Antworten der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage:

Die Bundesregierung sieht ihre Social Media Aktivitäten als „zeitgemäße Erweiterung ihrer Öffentlichkeitsarbeit“. Mit ihrer Hilfe komme man dem „verfassungsmäßigen Auftrag zur Information der Bürgerinnen und Bürger über ihre Tätigkeit, Vorhaben und Ziele“ nach. Die Angebote seien „bürgernah und dialogorientiert“, ermöglichten einen „unmittelbaren Einblick in das Regierungshandeln und sorgen damit für Transparenz“. Insgesamt scheint die Bundesregierung mit der Resonanz auf ihr Angebot zufrieden. Im Bundespresseamt arbeiten acht MitarbeiterInnen in einem eigens neu gebildeten Referat und betreuen die Angebote gemeinsam. Es gilt ein „4 Augen Prinzip“. Sie wurden nach fachlicher Eignung ausgewählt, es sind sowohl Beamte wie auch unbefristet angestellte Tarifbeschäftigte.

Der Twitter-Account Steffen Seiberts wird von ihm persönlich geführt, die Abteilung des „Chef vom Dienst“ arbeitet zu, Tweets werden gegebenenfalls mit „BPA“ kenntlich gemacht. Insgesamt beträgt das Budget der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung 57,6 Mio Euro in 2015, darin sind die Aufwendungen für die Social Media-Aktivitäten enthalten. Vom Gesamtbudget entfallen 16,7 Mio Euro auf das BPA. Die erarbeitete Social Media Strategie hat man sich 196.350 Euro kosten lassen. Sie wird fortlaufend angepasst. Meinungsumfragen fließen angeblich nicht in die Arbeit ein.

Es wurde eine Netiquette erstellt, deren Einhaltung selbst kontrolliert wird. Ob bei Löschungen gegebenenfalls Juristen dazu gezogen werden, wird aus den Antworten nicht klar, das „Prozedere folgt den Richtlinien des jeweiligen Netzwerkes“. Inhalte, die Straftatbestände erfüllen, werden angeblich an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet.  Völlig unklar bleibt auch, wie oft Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden. Hierzu heißt es nur: „Entsprechende Statistiken werden im BPA nicht erhoben“

Interessant ist auch, dass englische Kommentare zugelassen werden, anderssprachige nicht. Kriterien, nach denen Inhalte anderer Nutzer geliked, geteilt oder retweetet werden, gibt es offenbar keine. Bezüglich des Datenschutz in sozialen Netzwerken, den man an anderer Stelle gerne kritisiert, hat man keine Bedenken, jedoch bedeute die Nutzung eines Facebook-Accounts, so die Bundesregierung nicht, dass man „mit allen Einzelheiten der Datenschutzpraxis des Unternehmens einverstanden“ sei.

Fazit:

Insgesamt wird deutlich: Die Bundesregierung ist äußerst umtriebig in den sozialen Netzwerken. Rechtliche Bedenken hat sie dabei offensichtlich nicht. Dabei stellen sich verfassungsrechtlich tiefgehende Fragen bezüglich dieses Engagements. Denn einen Regierungssender, Staatsfernsehen oder das bewusste Umgehen kritischer medialer Diskurse der Exekutive darf es in einer freiheitlichen Demokratie nicht geben. Offensichtlich hat sich die Bundesregierung mit diesen Fragen bislang nicht ausreichend beschäftigt. Niemand will ihr verbieten, sich auch in den sozialen Netzwerken mit Bürgerinnen und Bürgern auszutauschen, im Gegenteil. Gleichzeitig muss sie sich zwingend an verfassungsrechtliche Vorgaben halten. Denn diese Vorgaben sind nicht zuletzt das Resultat negativer Erfahrungen aus unserer Geschichte.

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