Im Zuge der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses am 5 März 2015 wurde ein weiterer Zeuge aus den Reihen des Bundesnachrichtendienstes (BND) angehört. Thematisch befasste sich der Ausschuss im Wesentlichen mit der Operation EIKONAL, aber auch mit der Operation GLO.

Rückblick letzte Sitzung:
Die Aussagen des geladenen Zeugen erschienen auf den ersten Blick nicht gerade sehr gewinnbringend für die weitere Aufklärung. Dennoch konnten hinsichtlich einiger Aspekte tatsächlich Fortschritte erzielt werden. Hier nur zwei Beispiele: So wurde durch den Zeugen unter anderem bestätigt, dass die – ohnehin nur bedingt funktionierende – Filterung von Datenflüssen auf Deutsche und US-Bürger beschränkt war, d.h. aus heutiger Perspektive davon auszugehen ist, dass massenhaft Bürgerinnen und Bürger anderer EU-Staaten betroffen waren. Ob es auch Bereich gab, in denen gar nicht erst gefiltert wurde, wird die weitere Aufklärung zeigen. Zudem haben wir mehr Gewissheit bezüglich der Frage, ob es im Zuge der Operation EIKONAL durch die Verwendung sogenannter „Selektoren“ auch zu einer bewussten Wirtschaftsspionage durch ausländische Dienste gekommen ist.

In den Tagen zwischen der letzten und der heutigen Sitzung ist viel passiert: Weitere Klagen gegen die Massenüberwachung wurden angekündigt, die Diskussionen über die bekannt gewordenen Praktiken nehmen auch in anderen Ländern an Intensität zu. So wird mittlerweile beispielsweise in Österreich, immer mit Blick in Richtung des Deutschen Parlaments, über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses diskutiert. In England wiederum versucht die Regierung angesichts des beginnenden Wahlkampfes mit allen Mitteln die Praktiken der Geheimdienste nicht weiter publik werden zu lassen. In Deutschland wurden Berichte bekannt, nach denen SAP mit der NSA und CIA kooperierte, was unter anderem zu einer Debatte über ethische Grundsätze und unternehmerische Verantwortung führte, die lange Zeit nur in den USA geführt wurde. Derweil fand im Bundestag gestern im Rahmen einer aktuellen Stunde eine Debatte zur Vorratsdatenspeicherung statt. Am Freitag diskutieren wir über das umstrittene IT-Sicherheitsgesetz. Hier liegt ein Vorschlag der Bundesregierung auf dem Tisch, der keinerlei Bezug zu dem Aufklärungsgegenstand des Untersuchungsausschusses hat.

Heutige Sitzung:
Aufgrund einer Regierungserklärung zum Europäischen Rat beginnt die heutige – nichtöffentliche – Beratungssitzung des Ausschusses erst um 11:00 Uhr. Im Anschluss daran wird der Ausschuss mit der öffentlichen Beweisaufnahme um 11.30 Uhr beginnen. Sitzungsort ist wieder der Europasaal im Paul-Löbe-Haus des Bundestags. Thematisch geht es diese Woche zum einen also noch mal um die Operation EIKONAL, zum anderen um Fragen des G10-Schutzes und des Umgangs mit erfassten Kommunikationsdaten bis in die Gegenwart.

Im Rahmen der Sitzung werden diesmal erneut zwei Zeugen des Bundesnachrichtendienstes vernommen. Der erste Zeuge ist Dr. Harald Fechner. Für den Untersuchungsausschuss ist insbesondere seine Tätigkeit als Abteilungsleiter 2 (Abteilung „Technische Aufklärung“) von Interesse. Dr. Fechner ist der Nachfolger von Herrn Urmann, den der Ausschuss in der letzten Sitzungswoche angehört hat. Dr. Fechner war von Ende April 2008 bis Juni 2009 Abteilungsleiter 2. In seine Dienstzeit fällt somit das Ende der Operation EIKONAL.

Zuvor war der Zeuge von Juli 2000 bis Februar 2003 Unterabteilungsleiter Technische Aufklärung (UAL 24); von März 2003 bis Juli 2005 Unterabteilungsleiter Nachrichtenbearbeitung (UAL 27) in der Abteilung 2; von August 2005 bis Ende April 2008 Abteilungsleiter 6 (Technische Unterstützung).

Von Interesse ist für den Ausschuss vor allem die Frage, was der Zeuge hinsichtlich der Operation EIKONAL vorgefunden hat, als er im April 2008 die Abteilung übernahm. So lag ein sogenannter „Schwachstellenbericht“ seit August 2007 vor und zeigte bei EIKONAL gravierende Mängel und Sicherheitslücken, insbesondere was den G10-Schutz angeht. BND-Zeugen aus der Joint SIGINT Activity (JSA) in Bad Aibling gaben wiederholt zu Protokoll, beim Betrieb von EIKONAL seien letztlich keine Probleme mehr aufgetreten. Jedoch haben andere Zeugen, die nicht direkt in Bad Aibling eingesetzt wurden, durchaus anderes berichtet, so dass diese Widersprüche im Zuge der heutigen Sitzung beleuchtet werden sollen.

In diesem Zusammenhang wollen wir schließlich klären, was nun eigentlich wirklich zum Ende der Operation EIKONAL geführt hat. So erhoffen wir uns vom Zeugen insbesondere Aufklärung darüber, mit welchen Schwierigkeiten die Operation EIKONAL konkret gekämpft hat. Hierzu zählt die G10-Problematik, also die Frage, in welchem Umfang die NSA an Kommunikationsdaten von Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland gelangt ist. Zudem werden wir im Zuge der heutigen Sitzung der Frage nachgehen, welche Datenmengen bei der Operation EIKONAL ausgeleitet, verarbeitet und dem Zugriff anderer Nachrichtendienste offenstanden.

Diese Frage ist nach wie vor nicht ausreichend aufgeklärt. In diesem Zusammenhang wollen wir auch der Frage nachgehen, inwiefern der BND von der NSA „über den Tisch gezogen“ wurde, bzw. ob und wie die NSA gegen deutsche und europäische Interessen gearbeitet hat, z.B. indem sie mehrfach Suchbegriffe, sogenannte „Selektoren“, eingesteuert hat, die offenbar dazu dienten, Wirtschaftsspionage zu betreiben. Hierüber hatte unter anderem die Süddeutsche Zeitung berichtet. Im Zuge der letzten Sitzung bestätigte der Zeuge ein entsprechendes Vorgehen.

Letztendlich wollen wir auch der Frage nachgehen, wieso das Projekt EIKONAL, nachdem angeblich alle vormals auftretenden Probleme abgestellt werden konnten, dennoch eingestellt wurde. Aus heutiger Perspektive verdichten sich Hinweise, dass die Operation für den BND letztlich, vor allem aus technischer Sicht, unkontrollierbar war. So scheint es, dass das Projekt, nachdem man dies offenbar selbst festgestellt hatte, schnellstmöglich beendet wurde, auch um einen unkontrollierten Abfluss von G10-Daten an die NSA zu vermeiden.

In seiner Funktion als Abteilungsleiter 2 erwarten wir uns von dem Zeugen Fechner auch Auskünfte darüber, was das Kanzleramt über die Operation EIKONAL und insbesondere über das Scheitern und dessen Gründe tatsächlich wusste. Genauso interessiert uns die Frage, ob es zu Kompensationen für die eingestellte Operation EIKONAL kam und wie diese aussahen. Derartige Kompensationen, das haben die vergangenen Zeugenbefragungen gezeigt, zumindest angedacht. Ob sie tatsächlich erbracht wurden, wird die weitere Aufklärung zeigen – auch wenn die Bundesregierung hier weiter mauert und die Arbeit des Ausschusses einmal mehr erschwert.

Der zweite Zeuge ist Herr A.F. Er war von Juli 2009 bis August 2014 Referent für Rechtsangelegenheiten G10 im Referat TAG der Abteilung „Technische Aufklärung“ des BND. A.F. hat diesen Bereich von Ende Januar 2013 auch kommissarisch geleitet. Uns interessiert vor allem die Frage, ob der Zeuge auch für die Prüfung der der Selektoren zuständig war.

Von dem Zeugen erwarten wir uns u.a. Aufklärung über die Art und die Anzahl der Selektoren, deren tatsächliche Überprüfbarkeit, die Funktionsweise und das tatsächliches Funktionieren der G10-Filter, die Anzahl der vom BND erfassten Daten aus der Kommunikationsüberwachung (Metadaten/Inhaltsdaten) und Aufklärung bezüglich der Frage, was mit diesen Daten geschieht, wo und wie lange sie gespeichert und an wen sie übermittelt werden.

Schließlich wollen wir auch die rechtlichen Grundlagen, nach denen der BND Telekommunikation im In- und Ausland – mit G10-Anordnung und ohne – überwacht und die Daten, insbesondere Rohdaten offenbar an ausländische Partnerdienste weitergibt, beleuchten. Viele Fragen, auf die wir uns Antworten erhoffen, die die weitere Aufklärung voranbringen.

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