Anfang des Jahres 2011 wurden interne Dokumente geleakt, die belegten, dass das Auswärtige Amt seine IT-Systeme auf die in der Bundesverwaltung dominierende Windows-Software rückabwickelt. Unter der rot-grünen Bundesregierung war zuvor ein Großteil dieser Arbeitsplatzrechner auf Open-Source-Software umgestellt worden. Seitdem wurde das Auswärtige Amt immer wieder gerne als Open-Source-Leuchtturmprojekt herangezogen. Trotz wiederholter Bescheinigung der Wirtschaftlichkeit wurden an den Arbeitsplätzen im Auswärtigen Amt und in den Botschaften in einem zweistufigen Verfahren erst Windows XP und dann Windows 7 installiert. Als Begründung wurde eine „höhere Wirtschaftlichkeit“ und  mangelnde Benutzerfreundlichkeit der verwendeten Freien Software angeführt.

Als Grüne Bundestagsfraktion unterstützen wir die stärkere Verbreitung Freier Software, die umfassende Vorteile bietet, seit langem. Freie und quelloffene Software stellt eine sichere, wirtschaftliche und nachhaltige Alternative zu proprietärer Software dar, die oftmals mit einer marktbeherrschenden Stellung weniger Anbieter einher geht, wodurch sich, das wissen wir nicht ernst seit den Enthüllungen Edward Snowdens, vielfältige, vor allem auch sicherheitstechnische Nachteile ergeben. Freie Software ist dabei dadurch definiert, dass sie von jedem Menschen für jeden Zweck verwendet, ihre Funktionsweise mit Hilfe des Quellcode verstanden, kostenlos oder gegen ein Entgelt verbreitet und verändert werden darf.

Nutzerinnen und Nutzer von freier und quelloffener Software sind durch die Bereitstellung des Programmcodes in der Lage, die Anwendungen unabhängig von wirtschaftlichen Interessen einzelner Unternehmen und den Lebenszyklen eines Produktes weiterzuentwickeln. Sicherheitslücken können somit im Regelfall schneller gefunden und behoben werden. Die Förderung freier und quelloffener Software bietet somit nicht nur wirtschaftliche und sicherheitstechnische Vorteile, sie ist auch für eine gemeinwohlorientierte Politik essentiell. Darüber hinaus kann ein verstärkter Einsatz freier/quelloffener Software einen wichtigen Beitrag leisten, Unternehmen in innovativen Wirtschaftsfeldern zu fördern.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Rückabwicklung eines der wichtigsten FOSS-Leuchtturmprojekte auf Bundesebene immer wieder kritisiert. Im April 2011 haben wir die erste Kleine Anfrage an die Bundesregierung (pdf) gerichtet und gemeinsam mit der Free Software-Foundation dazu eingeladen, die Ergebnisse gemeinsam auszuwerten. Seitdem das Thema immer wieder, in ganz verschiedenen Kontexten, in und außerhalb des Parlaments thematisiert und unsere Unterstützung auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht, zuletzt im Rahmen eines grünen Fachgesprächs „Marktmacht, Wettbewerb und Vielfalt in der digitalen Wirtschaft“ im Deutschen Bundestag.

Auch die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hatte sich zwischenzeitlich in einer eigenen Projektgruppe intensiv mit der Thematik beschäftigt. Im März 2012 hatten wir eine Kleine Anfrage zu Werbung für proprietäre Software auf Seiten von Bundesministerien und der öffentlichen Verwaltung (pdf) an die Bundesregierung gerichtet. Im April 2013 haben wir gemeinsam mit anderen Fraktionen einen interfraktionellen Antrag gegen Softwarepatente im Bundestag initiiert. Als grüne Bundestagsfraktion sind wir nicht nur bemüht, auch was die IT-Ausstattung des Bundestages angeht, mehr freie Software durchzusetzen, sondern wollen auch selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. So haben wir beispielsweise den Source-Code unserer Beteiligungsplattform betatext allen Interessierten zur Verfügung gestellt. Parallel zum letzten IT-Gipfel der Bundesregierung in Hamburg hat die Grüne Bürgerschaftsfraktion gemeinsam mit der Open Source Business Alliance einen offenen IT-Gipfel mit einem Schwerpunkt auf dem Thema freier Software veranstaltet.

Leider ist, trotz eindeutiger Empfehlungen zum vermehrten Einsatz Freier Software, auch des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das weiterhin darauf verweist, dass die Vielfalt von Software nach wie vor ein „zentraler Aspekt innerhalb der IT-Strategie des Bundes“ sei, eine einheitliche und nachhaltige Strategie der Bundesregierung noch immer nicht erkennbar. Dies wird auch in der „Digitalen Agenda“ deutlich, in der sich zu den Themen freier Software und deren Förderung kaum mehr als Lippenbekenntnisse finden. Gerade vor dem Hintergrund der Ausführungen der Bundesregierung, die einerseits betont, dass es ihr Ziel sei, Monokulturen zu vermeiden, „weil diese leichter angreifbar und daher sicherheitstechnisch bedenklich“ seien, andererseits dann aber, überall dort, wo es bereits Leuchtturmprojekte gibt, diese peu a peu rückabgewickelt werden, vermisst man nach wie vor ein klares Bekenntnis und eine kohärente Strategie zur Unterstützung freier Software.

Obwohl das BSI „bedeutende strategische Vorteile“ durch den Einsatz freier und quelloffener Software im Prozess der Sicherung von IT-Systemen sieht und auch das Open-Source-Kompetenzzentrum auf seiner Website auf diese Sicherheitsvorteile verweist, werden die unbestrittenen Sicherheitsvorteile Freier Software von der Bundesregierung bisher leider weitestgehend ignoriert. Dies ist umso unverständlicher, als dass freie Software, gerade nach den anhaltenden Snowden-Enthüllungen und täglich neuer Hiobsbotschaften ein wahrer deutscher und europäischer Exportschlager sein könnte.

Gerade vor dem Hintergrund einer anhaltenden, intensiven Diskussion über so genannte Cyberbedrohungen, eine durch den Whistleblower Edward Snowden und engagierte Journalistinnen und Journalisten aufgedeckte, weitgehende Kompromittierung digitaler Infrastrukturen, eine vielfache Zusammenarbeit zahlreicher großer IT-Unternehmen mit Geheimdiensten und bekannt geworde­nen Spionagetätigkeiten, die unter anderem auch die Auslandvertretungen be­trafen, erscheint die Rückabwicklung der IT-Landschaft des Auswärtigen Amtes aus heutiger Sicht umso fraglicher.

Insgesamt stellt sich gerade vor dem Hintergrund der beschriebenen sicherheitstechnischen Rahmenbedingungen die Frage, ob es nicht einer sehr viel stärkeren Unterstützung und eines verstärkten Einsatzes freier Software kommen muss. Dies gilt insbesondere für das AA und seine Auslandsvertretun­gen, die besonders im Fokus von IT-Angriffen stehen. Angesichts all dieser Fragen haben wir gerade eine weitere Kleine Anfrage (pdf) an die Bundesregierung gestellt.

Sobald die Antworten der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage vorliegen, werden wir hier noch einmal ausführlich darüber berichten. 

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