Auf „The Intercept“ schrieb Glenn Greenwald vor wenigen Tagen, der SPD-Vorsitzende, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Gabriel habe ihm gegenüber am Rande einer Preisverleihung erläutert, die USA hätten „aggressiv“ mit einem Stopp der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den Geheimdiensten gedroht, sollte Edward Snowden in Deutschland Asyl bekommen. Dies habe Gabriel nach mehrfachen Nachfragen in einem Gespräch, in dem sich der US-Journalist nach den Gründen für die anhaltende Verweigerungshaltung der Bunderegierung, Snowden eine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zu ermöglichen, erkundigt hatte, gegenüber Greenwald angegeben.

Eine solche Aussage des Vize-Kanzlers wäre, auch und vor allem aufgrund der seit langem andauernden, intensiven politischen Diskussionen über eine Zeugenaussage Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss in Deutschland, äußerst problematisch.

So hat die Bundesregierung eine Zeugeneinvernahme in Deutschland bislang immer abgelehnt, gleichzeitig jedoch darauf verwiesen, dass ihre Meinungsbildung dazu noch nicht abgeschlossen und der Beschluss nur vorläufiger Natur sei. Das führte letztendlich dazu, dass das Karlsruher Bundesverfassungsgericht unsere Klage als unzulässig ablehnte an den Bundesgerichtshof verwies.

Würde der von Glenn Greenwald beschriebene Sachverhalt zutreffen, hätte die Bundesregierung in der zurückliegenden Debatte einen äußerst  wichtigen Beweggrund für ihre ablehnende Haltung schlichtweg verschwiegen. Warum eigentlich? Der Eindruck läge nahe, man habe als Bundesregierung im nunmehr zwei Jahre andauernden Skandal eine Aussage des Schlüsselzeugen Snowden vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages allein aus Rücksicht und Angst vor der Drohung von US-Seite verhindert. Sollte sich herausstellen, dass es tatsächlich eine entsprechende Drohung von US-amerikanischer Seite nicht gab, wäre die Frage, warum Gabriel eine solche Aussage gegenüber Greenwald dennoch getätigt hat und welche Beweggründe stattdessen ursächlich dafür sind, dass eine Aussage Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss bis heute verweigert und hintertrieben wird.

Gabriel dementiert die Darstellung des Gesprächs bislang nicht. Entschieden reagierte die US-Seite: Die Obama-Administration hat die Darstellung als unzutreffend zurückgewiesen. So erklärte ein hoher Regierungsbeamter gegenüber der „Welt“: „Deutschland ist einer unserer engsten Partner. Die Vorstellung, wir würden drohen, den Austausch von Informationen einzuschränken, ist haltlos. Unsere geheimdienstliche Zusammenarbeit mit Deutschland hat Leben gerettet, und wir wollen unsere Fähigkeit nicht reduzieren, terroristische und andere Bedrohungen zusammen mit unseren deutschen Partnern zu bekämpfen.“ Um weitere Klarheit in der Sache zu erlangen, habe ich die Bundesregierung noch am Freitag in einer schriftlichen Frage um Auskunft gebeten. Meine Frage lautet:

Ist es zutreffend, dass die Regierung der USA der Bundesregierung mit einem Ende der Weitergabe von Geheimdienstinformationen gedroht hat, sollte Edward Snowden in Deutschland Asyl gewährt werden oder ihm anderweitig ermöglicht werden, nach Deutschland einzureisen, wie dies Glenn Greenwald in Berufung auf eine Äußerung des Vizekanzlers und Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, im Rahmen der Verleihung des „Siebenpfeiffer-Preises 2015“ am 15. März 2015 in Homburg erklärt hat (vgl. https://firstlook.org/theintercept/2015/03/19/us-threatened-germany-snowden-vice-chancellor-says/, abgerufen am 20. März 2015)?

Über die Antwort der Bundesregierung halten wir Euch gerne auf dem Laufenden.

UPDATE 31.03.2015 Antwort der Bundesregierung eingetroffen:

Nun liegt die Antwort der Bundesregierung vor. Sie hat uns, laut Aussagen eines Ministeriumsmitarbeiters aufgrund eines „erhöhten Abstimmungsbedarfs innerhalb der Bundesregierung“ leicht verspätet, erreicht.

Die in der Frage angesprochene Drohung wurde gegenüber der Bundesregierung nicht erklärt.

Im Übrigen wird in diesem Zusammenhang auf die Antwort der Bundesregierung (BT-Drs. 18/3094) auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (BT-Drs. 18/2951) vom 6. November 2014 und die dort angeführte Einschätzung der Bundesregierung vom 2. Mai 2014 verwiesen: „Im Falle einer Vernehmung von Herrn Snowden in Deutschland muss konkret damit gerechnet werden, dass die US-Regierung ihre Zu­sammenarbeit im Bereich der Sicherheitsbehörden zumindest vorübergehend ein­schränkt. Dies könnte insbesondere den Austausch von nachrichtendienstlichen In­formationen mit US-Diensten betreffen, der jedoch für die Sicherheit der Bundesre­publik Deutschland von grundlegender Bedeutung und daher unverzichtbar ist.“ (Be­richt der Bundesregierung zur Ausschussdrucksache 58 des 1. Untersuchungsaus­schusses der 18. Wahlperiode, S. 6).

Bewertung der Antwort der Bundesregierung:

Zunächst ist natürlich interessant, dass die Antwort der Bundesregierung, obwohl sich meine Frage explizit auf eine mündliche Aussage des Bundeswirtschaftsministers gegenüber Glenn Greenwald bezog, nicht vom Bundeswirtschaftsministerium, sondern vom Innenministerium gegeben wurde. Dies ist eigentlich unüblich, erklärt aber natürlich ein Stück weit den „erhöhten Abstimmungsbedarfs innerhalb der Bundesregierung“. Es zeigt, dass man sich der politischen Brisanz der Aussage des Vizekanzlers (s.o.) durchaus bewusst ist.

In ihrer Antwort gibt die Bundesregierung in aller Klarheit zu Protokoll, dass es eine von Sigmar Gabriel gegenüber Glenn Greenwald als Erklärung für die Nicht-Aufnahme Edward Snowdens in Deutschland in´s Feld geführte „Drohung“ – zumindest offiziell – nie gab. Der Rest der Antwort der Bundesregierung dient lediglich dazu, die Bloßstellung des Vize-Kanzlers, der hier ganz offenbar Glenn Greenwald gegenüber die Unwahrheit gesagt hat, abzumildern. Das gelingt nur jedoch – um es vorsichtig auszudrücken – nur sehr bedingt.

So bezieht sich die Bundesregierung in ihren weiteren Ausführungen auf eine gegenüber den Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke gegenüber getätigte, wohlgemerkt eigene „Einschätzung“, die zudem aus Mai 2014 stammt, nach der im Falle einer Vernehmung Edward Snowdens in Deutschland „konkret damit gerechnet“ werden müsse, dass die US-Regierung ihre Zu­sammenarbeit im Bereich der Sicherheitsbehörden „zumindest vorübergehend“ ein­schränke. Dies so, die Bundesregierung weiter, „könnte“ insbesondere den Austausch von nachrichtendienstlichen In­formationen mit US-Diensten betreffen. Dieser sei jedoch für die Sicherheit der Bundesre­publik Deutschland von grundlegender Bedeutung und daher unverzichtbar. Interessant ist in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, wie die Bundesregierung zu ihrer Einschätzung, die ja wohlgemerkt von einer „konkreten“ Gefahr der Nicht-Kooperation amerikanischer Behörden spricht, gelangt, zumal ja die Bundesregierung im Weiten wieder zurück in den Konjunktiv („könnte“) fällt.

Fassen wir zusammen: Die Antwort ist schlicht bizarre. Selbstreferenziell verweist die Bundesregierung, die zunächst – sehr konkret – feststellt, es habe keine entsprechende Drohung der US-Seite gegenüber der Bundesrepublik gegeben und damit den eigenen Vizekanzler düpiert, auf eine eigene, knapp ein Jahr alte „Einschätzung“, die wiederrum zu dem Ergebnis kommt, dass „konkret“ mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit gerechnet werden müsse, um dann erneut – diesmal reichlich unkonkret – darüber zu sinnieren, welche Bereiche hiervon betroffen sein könnten.

Die Frage bleibt: Gab es nun Drohungen, die eine solche Einschätzung einer konkreten Gefährdung rechtfertigen oder gab es sie nicht? Während es von britischer Seite entsprechende Drohungen gab, sind diese von US-amerikanischer Seite bislang nicht bekannt. Es scheint so, als gehe die Bundesregierung schlicht davon aus, dass sich die US-Dienste ähnlich verhalten könnten. Eine Einschätzung, der die amerikanische Seite ausdrücklich und wiederholt öffentlich widersprochen hat. Eine solche – nicht belegte – Annahme der Bundesregierung würde natürlich die Verweigerungshaltung bezüglich einer Aussage Edward Snowdens vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Berlin in keinster Weise rechtfertigen. Das ganze Rumgeeiere der Bundesregierung im Allgemeinen und des Vizekanzlers im Speziellen ist einfach peinlich.

Bezüglich einer ordentlichen Zeugenvernehmung Edward Snowdens vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin und der anhaltenden Verweigerungshaltung der Bundesregierung werden wir weiter parlamentarisch nachhaken und auch zukünftig für unsere Rechte, notfalls auch gerichtlich, streiten.

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