Vor Beginn der öffentlichen Beweisaufnahme im Rahmen der Sitzung des Untersuchungsausschusses wird ab 11 Uhr eine nichtöffentliche Beratungssitzung stattfinden. Sitzungsort ist wieder der Europasaal des Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags. An diesem Donnerstag werden zwei Zeugen des Bundesnachrichtendienstes angehört. Thematisch befassen wir uns diese Woche mit der Operation GLO. Erster Zeuge ist Herr W.K.: Nach Auskunft des Kanzleramtes war W.K. während der überwiegenden Laufzeit der Operation GLO „technisch leitend verantwortlich“. Heute ist W.K. Unterabteilungsleiter im BND für den Bereich Nachrichtengewinnung.

In der für den Untersuchungsgegenstand maßgeblichen Zeit war W.K. zunächst – von Sept. 2002 – Sachgebietsleiter für Sonderprojekte der technischen Aufklärung, ab Juli 2006 Referatsleiter für die Erfassung kabelgeführter Kommunikation. Der Ausschuss hatte ihn bereits am 11. Nov. 2014 als Zeugen vernommen. Über seine Beteiligung bei GLO hat der Zeuge damals keine Aussagen gemacht. Als zweiten Zeugen wird der Ausschuss Herrn J.F. anhören. Er war von Ende 2001 bis Ende 2006 Leiter der BND-Außenstelle Rheinhausen, wo die Daten aus der Operation GLO bearbeitet worden sein sollen.

Was erwarten wir uns von den Zeugen?

Die Operation GLO ist ein weiteres Beispiel für die Kooperation des BND mit einem Geheimdienst der 5-Eyes-Staaten. Hierbei ist insbesondere interessant, wie der Zugriff bei dem US-amerikanischen Betreiber zustande kam. Eine der im Raum stehenden Fragen in diesem Zusammenhang lautet: Wenn es dem US-Geheimdienst gelingt, Zugriff auf die Leitungen eines US-amerikanischen Providers in Deutschland zu erlangen und er diese Daten dann mit dem BND teilt, ist es dann nicht auch möglich, dass ein US-Geheimdienst dies ohne Mitwirkung und Wissen des Bundesnachrichtendienstes tut?

Bei dem Provider soll es sich nach Angaben des Spiegel um MCI Worldcom gehandelt haben. MCI ist 2006 von Verizon aufgekauft worden. Verizon ist ein großer Netzanbieter in Deutschland für Geschäftskunden und Behörden und betrieb bis vor kurzem einen Teil des Kommunikationsnetzes der Bundesregierung. Nach den Snowden-Dokumenten und Medienberichten soll Verizon unter der Deck-Bezeichnung „Stormbrew“ einer der Provider sein, die der NSA Zugang zum Internetbackbone gewähren. Auch diesem Verdacht werden wir im Ausschuss nachgehen. Wir erwägen dazu auch, den Chef von Verizon Deutschland als Zeugen zu vernehmen. Außerdem haben wir – wie zuvor bereits bei EIKONAL – Hinweise darauf, dass die Operation außerhalb von Deutschland fortgesetzt oder neuaufgelegt wurde. Auch dem werden wir – gegen den Widerstand des Kanzleramtes – nachgehen.

Kanzleramt will keine Akten haben –  Versagen der Fachaufsicht?

Interessant ist auch, dass das Kanzleramt dem Ausschuss mitgeteilt hat, dass es keine Unterlagen zur Operation GLO hat. Das ist offenkundig das Eingeständnis, dass die Fachaufsicht des Kanzleramtes über den BND nicht funktioniert. Anderenfalls hätte es Akten zu GLO gegeben. Inwieweit die damalige Spitze des Kanzleramtes, also insbesondere der Abteilungsleiter 6, und der Chef des Kanzleramtes, Frank-Walter Steinmeier, in die Operation eingeweiht waren, werden wir durch Zeugenvernehmungen versuchen aufzuklären. Die ist umso dringlicher, da es Hinweise gibt, dass auch hier das Kanzleramt eine Art „Freibrief“ gegenüber dem US-Geheimdienst mitgetragen hat. Auch vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass keine Akten vorliegen. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, wie die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste, z.B. auch im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) funktionieren soll, wenn das Kanzleramt über gravierende und riskante Operationen des BND keine oder keine detaillierten Informationen hat?

Berichterstattung über Massenüberwachung im Vorfeld der heutigen Sitzung

Im Zuge der heutigen Sitzung werden sicherlich auch die jüngsten Veröffentlichungen von Kai Biermann auf zeitonline ein Thema sein. Hier werden wir die durch die Berichterstattung im Raum stehenden Fragen, beispielsweise was die Art der Daten, die Größe der offenbar angelegten Datenspeicher und deren rechtliche Grundlagen erfragen. Genauso wollen wir wissen, wie die Filterung der Daten, vor allem hinsichtlich der Ausfilterung von Grundrechtsträgern, exakt vonstatten ging. Sollten sich die Medienberichte bewahrheiten, wofür es durchaus Anhaltspunkte gibt, müsste bezüglich dieser Fragen umgehend Klarheit geschaffen und die Rechtslage benannt werden. Auch scheint eine begleitende Sachbestandsaufnahme durch die Bundesdatenschutzaufsicht angeraten. Sollten sich die im Raum stehenden Vorwürfe bewahrheiten, müssten die Datenbestände bis zur eindeutigen Klärung der Rechtslage  gesperrt und später ggf. gelöscht werden.

Einschüchterungsversuch im Vorfeld der heutigen Sitzung

Im Vorfeld der heutigen Sitzung kam es zu einem insgesamt bemerkenswerten Vorgang, den Thorsten Denkler auf sueddeutsche.de treffend zusammenfasst. So fühlen wir uns als Mitglieder des Untersuchungsausschusses – einmal mehr – durch Bundesregierung und BND in unserer parlamentarischen Aufklärungsarbeit behindert und haben unsere Verwunderung über das Agieren von Regierung und Nachrichtendienst heute in einem Schreiben gegenüber Bundestagspräsident Lammert zum Ausdruck gebracht. Dass die Inhalte der gestrigen Besprechung sich heute 1:1 in Medienberichten wiederfinden, irritiert uns zusätzlich. Als Obleute sind wir uns einig, dass derartige, illegitime Einschüchterungsversuche keine Auswirkungen auf die Aufklärungsarbeit des Parlaments haben dürfen. Vor allem die Bundesregierung muss die Sabotage der Aufklärung des Parlaments endlich beenden und ihren Teil zur weiteren Aufklärung des immer offensichtlicheren Skandals leisten.

Auch diesmal wird netzpolitik.org dankenswerter Weise wieder live aus der Ausschusssitzung berichten.

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