Zum mittlerweile dritten Mal hat iRights.info mit „Das Netz 2014 – 2015“ einen 270-seitigen umfassenden netzpolitischen Jahresrückblick veröffentlicht. In dem Sammelband finden sich Beiträge von Aktivisten, Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern, die die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft in ganz unterschiedliche Kontexte setzen. Auch ich habe einen kurzen Gastbeitrag zur Digitalpolitik der Bundesregierung verfasst. Wie in den Vorjahren ist der Sammelband gedruckt für 14,90 Euro und als E-Book für 4,99 Euro erhältlich. Erstmals gibt es zusätzlich die Möglichkeit, die Beiträge kostenlos im Netz zu lesen. Alle Texte stehen unter Creative-Commons-Lizenz.

Hierzu schreibt Herausgeber Philipp Otto auf der Seite von iRights.info:

„Die Inhalte sollten frei verfügbar sein, trotzdem auch gekauft werden können – je nach Vorliebe unserer Leser und Nutzer. Für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Zielgruppen sollte es unterschiedliche Modelle, Nutzungs- und Vermarktungswege geben. Wenn wir ein Zwischenfazit ziehen dürfen: Der Versuch ist gelungen. So sind beispielsweise die Kosten für die Produktion des diesjährigen Jahresrückblicks Netzpolitik größtenteils bereits zum Erscheinen finanziert. Ein Versuch, der Mut macht, und der uns antreibt, die Erprobungsphase auf ein neues Level zu heben.“

Alle Beiträge stehen unter CC-Lizenz. Meinen Gastbeitrags findet Ihr auf den Seiten von iRights.

Weniger Potemkinsche Dörfer

Die „Digitale Agenda“ der Bundesregierung wird den netzpolitischen Herausforderungen nicht gerecht – sie ist konzeptlos, kompetenzlos und mutlos. Aber der digitale Wandel muss endlich aktiv gestaltet werden, meint Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen.

von Konstantin von Notz

Die „Digitale Agenda“ sollte der große Wurf der Bundesregierung werden. Vorgelegt wurde ein „Hausaufgabenheft“, ein Sammelsurium längst bekannter Ankündigen bar jeder Vision. Zentrale Themen wie der Überwachungs- und Geheidienstskandal werden nicht einmal angerissen. Eine kritische Selbstreflektion der netzpolitischen Verfehlungen der letzten Jahre findet ebenfalls nicht statt. Insgesamt hat diese Agenda ihren Namen nicht verdient. Der Bedeutung netzpolitischer Fragestellungen in der digitalen Gesellschaft wird sie bestimmt nicht gerecht. Wenn man eins vom Vorgehen der schwarz-roten Bundesregierung lernen kann, dann, wie man es nicht macht.

Spätestens im Zuge der Vorlage der Agenda wurde deutlich: Die Bundesregierung taumelt auch weiterhin desorientiert durch’s „Neuland“. Sie steckt im netzpolitischen Konzeptstau und lähmt sich selbst durch ein beispielloses Kompetenzwirrwarr. Schon heute ist klar: Diese Agenda wird niemandem helfen. Fast schon tragisch ist, dass der Regierung trotz der eigenen Konzeptlosigkeit der Mut fehlt, auf die netzpolitische Vorarbeit des Parlaments zurückzugreifen. Zur Erinnerung: Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages hat sich äußerst intensiv mit allen digitalpolitischen Fragestellungen befasst und mehrere hundert Handlungsempfehlungen vorgelegt. Diese wurden mit den Stimmen aller Fraktionen verabschiedet und hätten als Grundlage einer Agenda dienen müssen. Statt diese wichtige Vorarbeit anzunehmen, legte man lieber einen eigenen Entwurf vor – und scheitere fulminant.

Mehr denn je ist heute deutlich: Wir müssen den digitalen Wandel endlich aktiv im Sinne der Nutzerinnen und Nutzer, der Kreativen und der Wirtschaft gestalten. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, uns hinter allgemeinen Plattitüden oder schlichten Verweisen auf die Europäische Ebene zu verstecken. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die schwarz-rote Bundesregierung weiterhin bloße Show-Gipfel ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft veranstaltet, sondern müssen die versprochene Beteiligung entschieden einfordern. So traurig es ist: Wir müssen die offensichtlich überforderte Regierung zum Jagen tragen.

Ob unbeirrtes Festhalten an der Vorratsdatenspeicherung, die Vorlage eines Leistungsschutzrechts, das niemandem nützt, oder die Nicht-Aufklärung des Überwachungsskandals – die Bundesregierung wird nicht umhinkommen, die lange Liste ihrer netzpolitischen Verfehlungen der letzten Jahre aufzuarbeiten. Zudem muss sie den Kardinalfehler im Bereich der Netzpolitik beheben, netzpolitische Kompetenzen bündeln und schnellstmöglich angemessen koordinieren. Dies würde auch dem Ausschuss des Bundestages, der bis heute keinerlei Federführung hat, zugutekommen.

Insgesamt muss die Bundesregierung endlich verstehen, dass man es ihr nicht länger durchgehen lassen wird, ein Potemkinsches Dorf nach dem anderen zu errichten. Dort, wo heute bloße Fassaden stehen, muss endlich Substanz entstehen. Die Fundamente existieren – seit Jahren!

Dr. Konstantin von Notz ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, netzpolitischer Sprecher, Obmann in Ausschuss „Digitale Agenda“ und Obmann im Parl. Untersuchungssauschuss zur Überwachungs- & Geheimdienstaffäre.

Übrigens wird in Kürze wird auch das Jahrbuch von Netzpolitik.org erscheinen.

UPDATE: Mittlerweile ist auch das Jahrbuch von netzpolitik.org bestellbar.

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