Die Vorratsdatenspeicherung (VDS) ist zweifellos eine, wenn nicht die zentrale Frage der digitalen Bürgerrechtspolitik der letzten Jahre. Kaum eine Debatte hat so politisiert wie die um die höchst umstrittene Datenspeicherung. Zurecht, denn die Haltung zur Vorratsdatenspeicherung ist so etwas wie der Lakmustest für den Umgang mit unseren Bürger- und Grundrechten. Galt dies bereits für die Zeit vor den Snowden-Enthüllungen, gilt es für die Zeit danach umso mehr. Denn letztlich ist auch die VDS nichts anderes als ein Instrument der anlasslosen und flächendeckenden Massenüberwachung.

Jüngstes EuGH-Urteil schallende Ohrfeige für VDS-Befürworter

Als Grüne haben wir das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ausdrücklich begrüßt. Es war eine erneute herbe Niederlage für die Befürworter von anlasslosen Massendatenspeicherungen. Das Urteil ist somit auch eine Ohrfeige für die deutsche Bundesregierung, die sich in ihrem Koalitionsvertrag noch darauf verständigt hatte, die Vorratsdatenspeicherung möglichst rasch wieder einzuführen.

Die Befürworter der Datenspeicherung haben, indem sie  ihnen seit Jahren ein mit unserer Rechtsordnung nicht zu vereinbarendes Instrument versprachen, den Strafverfolgungsbehörden einen Bärendienst erwiesen. Als Grüne sagen wir klar: Statt eines Instruments, dessen Nutzen empirisch nachweisbar bei knapp über Null liegt, brauchen wir endlich eine gute technische wie personelle Ausstattung für die Strafverfolgungsbehörden und effektive Mittel zur anlassbezogenen Kriminalitätsbekämpfung.

Antrag gegen die Vorratsdatenspeicherung gleich zu Beginn der Legislaturperiode

Noch vor dem jüngsten Urteils des EuGH haben wir gleich zu Beginn der Legislaturperiode erneut einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem wir die Bundesregierung aufgefordert haben, von der höchst umstrittenen Datenspeicherung endlich Abstand zu nehmen und sich in Brüssel dafür einzusetzen, dass die Vorratsdatenspeicherung dahin kommt, wohin sie gehört: In die Schublade der Geschichte. Auch die Bundesregierung muss endlich verstehen, dass die Vorratsdatenspeicherung ein untaugliches und unverhältnismäßiges Instrument aus der Mottenkiste der Sicherheitspolitik ist, das zwar Diktatoren und autoritären Regimen gefallen mag, in Rechtsstaaten aber nichts zu suchen hat.

Das jüngste Urteil muss einen Wendepunkt in der Debatte um die Innere Sicherheit darstellen. Wer nun einfach im alten sicherheitspolitischen Stil weitermachen will, hat nichts verstanden. Nach dem Urteil des höchsten deutschen Gerichts muss die neue Niederlage und das Urteil des höchsten europäischen Gerichts die Befürworter anlassloser Massenspeicherungen endlich dazu bewegen, den bisherigen Kurs zu überdenken und nicht länger mit dem Kopf gegen dieselbe bürgerrechtliche Wand zu laufen.

GroKo weiter uneinig bezüglich weiteren Vorgehens – Grüne kündigen Klage an

Obwohl die Europäische Kommission gerade angekündigt hat, endgültig auf Strafzahlungen aus Deutschland wegen Nicht-Umsetzung zu verzichten (alles andere wäre auch absurd) und wir durch die Nicht-Umsetzung einer von Anfang an ungültigen Richtlinie heute hervorragend dastehen und obwohl sich die Konferenz der Datenschutzbeauftragten gerade noch einmal mit Hinweis auf das jüngste Urteil des EuGH noch einmal vehement gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hat, sieht es derzeit nicht so aus, als hätte das schon jeder in der Großen Koalition verstanden.

Noch immer sind höchst widersprüchliche Töne aus den Reihen der Koalition zur Vorratsdatenspeicherung zu hören. Wir haben es hier ganz offensichtlich mit einer anhaltenden Realitätsverweigerung in Teilen der GroKo zu tun. Als Grüne haben wir daher schon einmal angekündigt, gegebenenfalls erneut in Karlsruhe gegen eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung zu klagen. Angesichts der anhaltenden Unklarheit hatte ich die Bundesregierung vor kurzem zum geplanten weiteren Vorgehen in Sachen VDS befragt.

Meine Frage im Wortlaut:

Wie ist – auch vor dem Hintergrund widersprüchlicher öffentlicher Positionierungen von Vertreterinnen und Vertretern der Regierungskoalitionen – die derzeitige Position der Bundesregierung bezüglich einer neuen gesetzlichen Regelung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten in Deutschland noch vor einem etwaigen neuen Richtlinien-Vorschlag der Europäischen Kommission und wird sich die Bundesregierung nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auf europäischer Ebene gegenüber der Europäischen Kommission gegen eine solche, etwaige Neuauflage einer Vorratsdatenspeicherungs-Richtlinie einsetzen?

Vor wenigen Tagen erreichte mich die Antwort der Bundesregierung. Obwohl diese kaum aussageloser sein könnte, macht sie doch eines deutlich: Die Bundesregierung hat weiterhin keiner Plan bezüglich des weiteren Vorgehens in Sachen anlassloser Vorratsdatenspeicherung.

Hier die Antwort der Bundesregierung im Wortlaut:

Die Bundesregierung wird das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. April 2014 betreffend die Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung) sorgfältig analysieren. Wir werden innerhalb der Bundesregierung und im Kreis der Mitgliedstaaten der Europäischen Union das weitere Verfahren und die Konsequenzen ergebnisoffen besprechen. Dabei werden wir eine sachliche und konstruktive Debatte führen und am Ende eine tragfähige Lösung finden.

Mehr Inhaltsleere geht kaum. Dass zu befürchten steht, dass sich der bisherige Grabenkampf zwischen Bundesinnen- und justizministerium auch in dieser Legislaturperiode fortsetzen wird, hat auch die gestern stattgefundene 6. Sitzung des Ausschusses „Digitale Agenda“ gezeigt. Hier hatten wir einen „Bericht der Bundesregierung zu den Konsequenzen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung für den nationalen Gesetzgeber“ auf die Tagesordnung gesetzt. Die von beiden Ministerien abgegebenen Statements haben noch einmal verdeutlicht, dass die Bundesregierung weiter uneiniger kaum sein könnte. So ist auch in den nächsten Monaten kein kohärentes Vorgehen der Bundesregierung in Brüssel und ein Einsatz gegen eine Neuauflage der Richtlinie zu erwarten.

Grüne bringen erneuten Antrag gegen Vorratsdatenspeicherung in den Bundestag ein

Nachdem wir bereits zu Beginn der Legislaturperiode einen Antrag in den Bundestag eingebracht haben, in dem wir die Regierung aufforderten, von der VDS Abstand zu nehmen und sich, unabhängig vom Urteil des EuGH, endlich in Brüssel gegen die entsprechende Richtlinie einzusetzen, haben wir nun, nach dem jüngsten Urteil, einen weiteren Antrag mit dem Titel „Europäischen Grundrechtsschutz gewährleisten – Nationale Vorratsdatenspeicherung verhindern“ (pdf) in den Bundestag eingebracht.

Debatte am 9. Mai 2014 im Plenum des Bundestages

Am morgigen Freitag debattiert der Bundestag ab ca. 12:40 Uhr in einer 45-minütigen Plenardebatte über die Initiativen. Neben unseren beiden Anträgen liegt auch ein ähnlicher Antrag der Linken vor. Während führende Unionspolitiker weiter auf einen nationalen Alleingang setzen und die Bundesregierung sich um eine klare Positionierung drückt, fordert die Opposition geschlossen, sowohl auf EU-Ebene als auch in Deutschland auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. Die Debatte verspricht also spannend zu werden. Ihr könnt sie live auf www.bundestag.de verfolgen. Für uns wird meine Kollegin Katja Keul als rechtspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion sprechen.

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