Im Vorfeld der am 25. Mai 2014 im Deutschland stattfindenden Wahlen zum Europäischen Parlament hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung wie bereits in den letzten Jahren erneut Wahlprüfsteine zu den von ihm bearbeiteten Themenfeldern verschickt. Einen begleitenden Blogpost mit allen eingegangenen Antworten findet Ihr auf den Seiten des AKs. An dieser Stelle dokumentieren wir gesondert die Antworten von Bündnis 90/Die Grünen auf die Wahlprüfsteine, die ich hier auch noch einmal als pdf findet.

Antworten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die Wahlprüfsteine des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung anlässlich der Europawahl 2014

1. Sicherheitspolitik

Wie sehen Sie die allgemeine Lage bei europäischen Richtlinien und Verordnungen zur Sicherheitspolitik? Brauchen wir mehr und schärfere Bestimmungen, sind die bestehenden Bestimmungen ausreichend, oder sind es zu viele mit zu tiefen Eingriffen in die Freiheitsrechte?

Wir haben in den letzten Jahren leider zu viele Maßnahmen auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten gesehen, die unter dem Label „Sicherheitspolitik“ tief in die Grundrechte eingegriffen haben. Eine echte Wirkung konnte dabei nie nachgewiesen werden, und spätestens das EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung hat endgültig deutlich gemacht, dass solche unverhältnismäßigen Maßnahmen nicht akzeptabel sind. Nun müssen alle bestehenden Gesetze in der EU und in den Mitgliedstaaten auf den Prüfstand. Uns geht es nicht nur um Maßnahmen zur Überwachung von Menschen innerhalb der EU, sondern auch die restriktive und auf Abschottung ausgerichtete Politik an den EU-Außengrenzen muss grundrechtsverträglich und auf Hilfe für Flüchtlinge statt Abwehr neu ausgerichtet werden.

2. Vorratsdatenspeicherung

2.a.  Befürworten Sie die Schaffung und Verabschiedung einer neuen EU-Richtlinie zur verpflichtenden Vorratsspeicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten in den Mitgliedstaaten?

Nein.

2.b.  Befürworten Sie die Schaffung und Verabschiedung einer neuen, die Mitgliedstaaten nicht verpflichtenden EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung?

Nein.

2.c.  Befürworten Sie die Schaffung und Verabschiedung einer EU-Richtlinie zum Verbot der Vorratsdatenspeicherung in den Mitgliedstaaten?

Ja. Sollte dies nicht möglich sein, müssen zumindest die nationalen Gesetze und auch andere nationale Maßnahmen der anlasslosen Massenüberwachung abgeschafft werden.

3. EU-Datenschutz

3.1. Befürworten Sie die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung in der derzeitigen, vom EU-Parlament verabschiedeten Fassung? Wenn nein, welche Änderungen befürworten Sie?

Ja. Dass hier angesichts starken Drucks von Lobbyisten und aus den USA das bestehende Datenschutzniveau sogar noch ausgebaut werden konnte, ist vor allem der grünen Federführung bei den Verhandlungen im Parlament zu verdanken.

3. 2. Befürworten Sie einen stärkeren, EU-weit verpflichtenden Schutz in den Mitgliedstaaten für personenbezogene Daten der öffentlichen Hand, also in Verwaltungen, Strafverfolgungsbehörden und ähnlichen Stellen?

Ja. Das ist in der vom Parlament verabschiedeten Fassung der Grundverordnung und auch der Richtlinie für den Polizeibereich bereits der Fall.

3.3. Befürworten Sie einen stärkeren Schutz personenbezogener Daten bei europäischen Behörden, also bei Europol und ähnlichen Stellen?

Ja. Die Grundverordnung in der vom Parlament verabschiedeten Fassung würde übrigens bereits für EU-Behörden und -Einrichtungen gelten, anders als der Vorschlag der Kommission vorsah.

4.  Passagierdaten

4.1. Befürworten Sie die Schaffung und Verabschiedung einer EU-Richtlinie oder EU-Verordnung zur Vorratsspeicherung von Passagierdaten für Flüge oder Bahn- und Schiffsfahrten (sog. PNR)?

Nein.

5.  KFZ-Daten

5.1. Befürworten Sie die verpflichtende EU-weite Einführung von sog. e-call-Systemen oder anderen Vorrichtungen zur Übermittlung und/oder Speicherung von Kraftfahrzeugstandortdaten?

Nein.

6.  Verbraucherdaten

6.1. Befürworten Sie eine datenschutzrechtliche Nachbesserung der EU-Richtlinie zum ‚Smart Metering‘, also für Geräte zur Erfassung und Weitergabe von Verbraucherdaten für Strom, Gas, Wasser und andere Bereiche?

Ja. Bereits bei der Verabschiedung der Energieeffizienzrichtlinie, die die Einführung von „Smart Meters“ regelt, haben die Grünen sich für starke Datenschutzregeln eingesetzt, konnten sich aber gegen den Widerstand anderer Fraktionen und der Mitgliedsstaaten nicht vollständig durchsetzen. Die Grünen auch die Parlamentsresolution zu Smart Grids vom 4.2.2014 federführend verhandelt und dabei Datensparsamkeit und volle Kontrolle der Verbraucher über ihre Daten als Kernforderungen durchgesetzt.

7.  Zahlungsverkehr

7.1. Befürworten Sie EU-weite Einschränkungen des identifizierungsfreien Zahlungsverkehrs, z.B. bei Bargeldzahlungen oder anonymen bargeldlosen Bezahlsystemen?

Zur effektiven Bekämpfung von Geldwäsche, Korruption und organisierter Steuerkriminalität sind Einschränkungen für große Finanztransaktionen notwendig – allerdings nur unter sehr strikten datenschutzrechtlichen Vorgaben. Grundsätzlich wollen wir Bargeldzahlungen und anonyme Bezahlsysteme allerdings von solchen Einschränkungen freihalten.

8.  Biometrische Erfassung

8.1. Befürworten Sie die EU-weite Einführung von Ausweispapieren mit verpflichtenden biometrischen Merkmalen und/oder RFID, sowie die Speicherung dieser Daten bei einer Behörde?

Nein.

8.2. Befürworten Sie die EU-weite Verpflichtung zur biometrischen Erfassung von allen einreisenden Nicht-EU-Personen beim Grenzübertritt ähnlich dem EURODAC-Projekt? Wenn ja, in welchem Maße?

Nein.

9.  Grenzsicherungssysteme

9.1. Befürworten Sie den Ausbau von elektronischen Grenzsicherungs- und Grenzüberwachungssystemen wie EUROSUR? Wenn ja, in welchem Umfang?

Nein. EUROSUR, aber auch das geplante Smart-Borders-Paket, werden von uns strikt abgelehnt. Hier werden Milliarden von Euro für unsinnige Projekte ausgegeben, die weder funktionieren noch die Grundrechten von uns oder auch von Flüchtlingen schützen.

10. Sicherheitsforschung

10.1 Befürworten Sie Fortführung oder Ausbau der EU-Förderung für nicht-zivile Sicherheitsforschung wie z.B. INDECT?

Nein. Die EU-Forschungsförderung muss vielmehr dringend umfassende Ressourcen zur Erforschung überwachungsfreier Kommunikationstechnologien bereitstellen. Dies ist in der Situation nach den Enthüllungen von Edward Snowden sogar verfasungsrechtlich geboten, denn der Staat muss aktiv dafür sorgen, dass die Grundrechte geschützt werden.

11. Datenaustausch zwischen Mitgliedstaaten

11.1. Befürworten Sie die Förderung des Austauschs von Verwaltungsdaten (z.B. Einwohnermeldedaten) zwischen EU-Mitgliedstaaten?

Das muss im Einzelfall geprüft werden und darf nur stattfinden, wenn es absolut notwendig und verhältnismäßig ist und eine klare Rechtsgrundlage hat.

11.2. Befürworten Sie die Förderung des Austauschs von Sozialversicherungsdaten (z.B. Daten aus Telematik-Infrastrukturen wie der elektronischen Gesundheitskarte) zwischen EU-Mitgliedstaaten?

Das muss im Einzelfall geprüft werden und darf nur stattfinden, wenn es absolut notwendig und verhältnismäßig ist und eine klare Rechtsgrundlage hat. Die elektronische Gesundheitskarte lehnen wir ab.

11.3. Befürworten Sie die Förderung des Austauschs von Strafermittlungsdaten zwischen EU-Mitgliedstaaten, z.B. in Form der Errichtung weiterer gemeinsamer Datenbanken?

Jegliche weitere Vertiefung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Europa darf nur erfolgen, wenn es klare gemeinsame Mindeststandards für den Datenschutz und die Rechte von Verdächtigen und Beschuldigten gibt. Ein Datenaustausch darf nur stattfinden, wenn er absolut notwendig und verhältnismäßig ist und eine klare Rechtsgrundlage hat. Wir sehen dazu in absehbarer Zeit keinen Grund.

12.  Datenübertragung in die USA und andere Drittstaaten

12.1. Sollten Ihrer Einschätzung nach mit Bezug auf die Snowden-Enthüllungen die bestehenden PNR-Abkommen mit ‚five-eyes‘-Staaten zur Weitergabe von Passagierdaten ausgesetzt oder aufgekündigt werden?

Ja.

12.2. Sollten Ihrer Einschätzung nach mit Bezug auf die Snowden-Enthüllungen die bestehenden Abkommen mit ‚five-eyes‘-Staaten zur Weitergabe von Swift- und anderen Bankdaten ausgesetzt oder aufgekündigt werden?

Ja.

12.3. Sollten Ihrer Einschätzung nach mit Bezug auf die Snowden-Enthüllungen die bestehenden Abkommen mit ‚five-eyes‘-Staaten zum Austausch von Strafverfolgungsdaten eingeschränkt oder aufgekündigt werden?

Ja.

13.  Safe-Harbor-Regelung

Sollte Ihrer Einschätzung nach mit Bezug auf die Snowden-Enthüllungen die sog. Safe-Harbor-Regelung mit den USA zum Schutz von weitergegebenen und verarbeiteten Daten außer Kraft gesetzt oder aufgekündigt werden?

Ja.

14.  Freihandelsabkommen

14.1 Sollten Ihrer Einschätzung nach mit Bezug auf die Snowden-Enthüllungen die Verhandlungen mit den USA zum Freihandelsabkommen TTIP ausgesetzt oder abgebrochen werden?

Ja.

15.  No-Spy-Abkommen

15.1. Befürworten Sie den Abschluss eines No-Spy-Abkommens zwischen der EU und den USA?

Ein No-Spy-Abkommen, das nur die Regierungen schützt, aber die massenhafte Überwachung der Bevölkerungen weiterhin ungeregelt lässt, lehnen wir klar ab. Ein generelles No-Spy-Abkommen wäre prinzipiell wünschenswert, ist aber angesichts der Snowden-Enthüllungen, dass sogar die Five-Eyes-Mitgliedsstaaten sich untereinander bespitzeln, eher ins Reich der Mythen einzuordnen. Daher brauchen wir eine massive Förderung überwachungsresistenter Informations- und Kommunikationstechnologien in Europa.

15.2. Befürworten Sie den Abschluss eines No-Spy-Abkommens zwischen den EU-Staaten untereinander?

Die EU-Mitgliedstaaten dürfen sich bereits aufgrund geltenden EU-Rechts nicht gegenseitig überwachen, u.a. nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Artikel 4 des Vertrages über die Europäische Union. Wir fordern daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten, die dies verletzen, wie z.B. Großbritannien.

16. Schutz von Whistleblowern

16.1. Befürworten Sie eine EU-weite Regelung zum Schutz von Whistleblowern? Ja. Und wir fordern Schutz für Edward Snowden in Europa.

Ja. Und wir fordern Schutz für Edward Snowden in Europa.

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