Nun ist es amtlich: Das ZDF muss gehörig umbauen. Und andere Rundfunkanstalten werden ebenfalls nachjustieren müssen. Die teilweise allzu große Staatsnähe einiger öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten war bis zum öffentlichen Eklat mit dem ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender ein offenes Geheimnis. Eine Diskussion brodelte in betroffenen Kreisen schon länger vor sich hin. Der Fall Brender hat das Fass zum überlaufen gebracht und deutlich gezeigt, welche Auswüchse politische Machtinteressen haben können. Ich bin froh, dass dem nun erst mal ein Riegel vorgeschoben wurde.

Denn das Bundesverfassungsgericht hat klar und deutlich festgestellt: Der staatliche Einfluss beim ZDF ist viel zu hoch. Der staatlichen Sphäre zuzurechnende Mitglieder – und dazu zählen nicht nur RegierungsvertreterInnen, sondern auch Abgeordnete, politische BeamtInnen und WahlbeamtInnen in Leitungsfunktion – dürfen nun nur noch maximal ein Drittel ausmachen, damit das Kriterium der Staatsferne erfüllt ist. Die ZDF-Aufsicht soll unabhängiger, moderner und vielfältiger werden. Auf dieses Urteil haben wir vor gut vier Jahren  hingewirkt. Und auch wenn es nicht in allen Punkten so weit geht, wie man politisch gehen könnte, können wir sehr zufrieden sein, da damit der Weg für eine bessere Rundfunkaufsicht geebnet ist.

Es kommt nun allerdings darauf an, dass die richtigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Dem Gesetzgeber ist nicht ohne Grund ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden. Den sollten die Länder hier ausschöpfen. Zwar sieht das Gericht lediglich Staatsferne als verfassungsrechtlich zwingend erforderlich an. Wir können hier aber auch Maßstäbe setzen und weiter gehen. Insofern stimme ich dem Sondervotum des Verfassungsrichters Paulus zu: Regierungsvertreter können und sollten ganz aus den Gremien rausgenommen werden. Dass das geht, zeigen uns bereits einige der ARD-Rundfunkanstalten. Denn: Der Nutzen für die Rundfunkfreiheit scheint mir jedenfalls recht gering. Umso mehr Platz wäre dann endlich für gesellschaftliche unterrepräsentierte Gruppen. Ich erhoffe mir dadurch eine qualitativ bessere, vor allem unabhängige Rundfunkaufsicht. Allerdings muss in diesem Zusammenhang darauf Acht gegeben werden, dass die Gremien jetzt nicht zu sehr aufgebläht und damit ineffektiv werden. Auch dazu sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen.
Das Gericht hat außerdem noch weitere wichtige Leitlinien gesetzt. In der Gruppe der gesellschaftlichen VertreterInnen dürfen nunmehr gar keine staatlichen oder staatsnahen Mitglieder mehr vertreten sein. Vielmehr werden die gesellschaftlich relevanten Gruppen nun direkt ihr Gremienmitglied benennen, ohne dass Ministerpräsidenten sich wie bisher eine genehme Person rauspicken können. Das ist ein weiterer Schritt weg von der stets zu befürchtenden indirekten Einflussnahme durch Parteipolitiker.
Die Karlsruher Richter haben aber zum Glück noch mehr Wegweiser ausgegeben. So sollen die Rundfunkgremien deutlich vielfältiger zusammengesetzt werden. Nicht nur die großen Verbände dürfen ein Zuhause finden – auch Minderheitengruppen sollen verstärkt ein Wörtchen mitreden können. Bislang hinkt die Besetzung der Gremien hinter der gesellschaftlichen Realität nämlich stark hinterher. Dort haben immer noch die Vertriebenenverbände einen Platz, während etwa MigrantInnen und junge Menschen völlig unterrepräsentiert sind. Auch der Anteil von Frauen muss hochgeschraubt werden. Das Stichwort heißt hier Flexibilität. Um eine Verkrustung in den Gremien über die Zeit zu verhindern, muss der Gesetzgeber die Gremienbesetzung regelmäßig überprüfen und die gesellschaftliche Relevanz der Gruppen verifizieren. Dafür sollte ein regelmäßiger Rhythmus vorgegeben werden, zum Beispiel im Turnus der Wahlperioden. Glücklich bin ich auch darüber, dass Karlsruhe die Arbeitsweise in den sogenannten Freundeskreisen ausdrücklich gerügt hat. Damit ist mit dem dort betriebenen parteipolitisch eingefärbten Kuh-Handel nun endlich Schluss. Und die Hausaufgabe in Sachen Transparenz: Über Inhalt und Ergebnisse der Gremiensitzungen muss ausreichend informiert werden, damit die Öffentlichkeit ihre Kontrollfunktion wahrnehmen kann.
Das alles neu auszutarieren, ist keine einfache aber wichtige Aufgabe. Und drängend: Der vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Zeitrahmen ist mit dem Stichtag 30. Juni 2015 eng gesetzt. Bis dahin müssen die erforderlichen Änderungen in einem neuen Gesetz verabschiedet sein, sonst schaltet sich Karlsruhe wieder ein.
Wir brauchen also eine strikte Marschroute. Es wäre jetzt aber der falsche Ansatz, den Gesetzgeber bei der Frage freie Hand zu lassen, wie die Rundfunkgremien im Einzelnen zusammengesetzt sein sollen. Sonst haben wir das Problem womöglich nicht behoben, sondern nur verschoben. In solchen Aspekten ist wissenschaftlicher Rat bewährt. Daher wäre  es eine gute Lösung, wenn eine unabhängige Kommission, besetzt mit fachlich versierten Wissenschaftlern, eingesetzt wird. Wir haben auch an anderer Stelle gute Erfahrungen mit unabhängigen Kommissionen gemacht, und die könnte frei von machtpolitischen Interessen Kriterien für die Gremienbesetzung vorschlagen. Nur so würde man auch hier den Einfluss der Politik eindämmen und eine adäquate Spiegelung von gesellschaftlichen Interessen gewährleisten. Eine andere Möglichkeit wäre, ein Ausschreibungsverfahren anzugehen. Ich befürchte aber, dass die Länder so mutig nicht sein werden. Darüber hinaus müssen auch dringend die Regelungen für die Beschlussfassung und Entscheidungsquoren neu gefasst werden.

Trotz der bestehenden Probleme bin und bleibe ich eine Verfechterin des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seine Aufgabe in unserer demokratischen Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen. Daher bin ich auch sehr froh darüber, dass das Bundesverfassungsgericht am Rande auch noch einmal betont hat, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht nur ein Nischendasein fristen soll. Er darf und soll über die Vermittlung von Information hinaus den gesamten gesellschaftlichen Bedarf abdecken, also auch die Bereiche Kultur, Unterhaltung, Sport. Dabei kann er alle relevanten Ausspielformen bedienen, also auch das Internet. Damit hat das Gericht abermals die Entwicklungsgarantie manifestiert und klargestellt: Nur wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich auch entwickeln darf, kann er seinem Auftrag wirklich gerecht werden.

Ich betone aber noch einmal: Es kommt nun entscheidend auf die genaue Ausgestaltung an. Und darauf, dass alle öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Wink mit dem Zaunpfahl ernst nehmen. Das trifft die einen mehr, die anderen weniger. Der RBB etwa sieht da schon ganz gut aus. Deutschlandradio etwas schlechter. Wenn man möglichst wenige staatsnahen Mitglieder zukünftig zulässt und die weiteren Faktoren wie Transparenz, eine vielfältige und gesellschaftlich relevante Zusammensetzung, die Berufung von engagierten und interessierten Gremienmitgliedern und deren Befähigung in die Tat umsetzt, dann sind wir wirklich ein ganzes Stück in der Neugestaltung und Modernisierung der Rundfunkanstalten vorangekommen.

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