Seit mehr als einem dreiviertel Jahr beschäftigen wir uns sehr intensiv mit der Aufklärung des größten Überwachungs- und Geheimdienstskandals in der Geschichte der westlichen Demokratien. Die Affäre um die massenhafte Kommunikationsüberwachung durch verschiedene westliche Geheimdienste hatte die Union durch Ronald Pofalla kurzerhand im August 2013 für „beendet“ erklären lassen. Das Vorgehen der Bundesregierung unter der Federführung eines sichtlich überforderten Innenministers Friedrich muss aus heutiger Perspektive, auch angesichts der Dimension der Bedrohung unseres Rechtsstaats, als schlicht skandalös charakterisiert werden. Schnell war klar: Weil die Bundesregierung nicht aufklären und die notwendigen Konsequenzen ziehen will, muss diese Rolle einmal mehr das Parlament übernehmen.

Während im Wahlkampf auch noch die SPD die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses entschieden forderte, war nach ihrem Eintritt in die große Koalition hiervon kaum noch was zu hören. Als grüne Bundesfraktion haben wir in den letzten Monaten, ob in zahlreichen parlamentarischen Anträgen, in Ausschusssitzungen oder in von uns vorgelegten parlamentarischen Initiativen immer wieder auf eine umfassende Aufklärung der durch Edward Snowden ans Tageslicht geförderten Praktiken gedrängt. Gemeinsam mit der Linken haben wir schließlich am 4. Februar 2014 einen Antrag auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) eingebracht und einen umfassenden Fragenkatalog vorgelegt. Eine Woche später, am 11. Februar 2014, zogen die Regierungsfraktionen nach und schlugen einen „eigenen“ Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vor.

Der von der Union und SPD vorgelegte Antrag war zwar an Worten reicher, dem Inhalt nach aber an verschiedenen Stellen dünner. So war der formulierte Untersuchungsauftrag weitaus enger. Insbesondere die Rolle deutscher Nachrichtendienste sollte komplett ausgeblendet und die Rolle der Dienste im vermuteten internationalen „Ringtausch-System“ verfassungswidrig erlangter Daten nicht beleuchtet werden. Schnell war für uns Grüne klar, dass wir dem Ansinnen der Großen Koaltion allein aus diesem Grund nicht entsprechen konnten. Aber auch andere Punkte der von der Großen Koalition vorgelegten Initiative machten eine grüne Zustimmung unmöglich. So gehört die Untersuchung von Regierungs-Missständen zu den elementaren Rechten der Opposition. Dass die Regierung mit ihrer großen Mehrheit auch noch den Auftrag des Untersuchungsausschusses bestimmen wollte, der das eigene Handeln durchleuchten soll, hat es zuvor noch nie gegeben.

Seit nunmehr mehreren Monaten haben wir intensiv mit der GroKo über den konkreten Einsetzungsbeschluss verhandelt – und uns schließlich auf einen gemeinsamen Auftrag für den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geeinigt. Am Ende konnten wir sämtliche uns wichtige Punkte durchsetzen, so dass der Untersuchungsausschuss nun alle relevanten Fragen rund um die Ausspäh- und Überwachungsaffäre in Angriff nehmen kann. Anfang April kann der PUA also endlich seine Arbeit beginnen, Licht ins Dunkel bringen und mögliche Konsequenzen für den Gesetzgeber ausarbeiten.

Konkret wollen wir klären, in welchem Umfang Geheimdienste der sogenannten „Five-Eyes-Staaten“ sowie etwaige private Subunternehmen Kommunikationsdaten aus, von und nach Deutschland sowie über Deutsche im Ausland erfasst, gespeichert, kontrolliert und ausgewertet haben. Uns interessieren genauso die Details zur Überwachung des Handys der Kanzlerin sowie deutscher Ministerien, Behörden, diplomatischen Vertretungen und Unternehmen. Auch ist aus unserer Sicht zwingend zu klären, ob Amerikaner und Briten aus ihren diplomatischen oder militärischen Einrichtungen in Deutschland heraus spionierten. Wir wollen zudem genau erfahren, was deutsche Dienste seit wann über derartige Praktiken wussten, in welcher Weise sie gegebenenfalls darin verwickelt waren, ob sie Nutzen daraus zogen und ob die Bundesregierung die parlamentarischen Gremien über all dies zutreffend unterrichtet hat.

Außerdem wollen wir untersuchen, ob deutsche mit ausländischen Geheimdiensten sensible Informationen austauschten, die sie nach dem Recht ihrer Länder selbst nicht hätten erheben dürfen („Ringtausch“). Aufgeklärt werden soll auch, ob US-Stellen von Deutschland aus einen „Geheimen Krieg“ führten – etwa mit gezielten Tötungen durch Kampfdrohnen – und wie deutsche Stellen hieran ggf. teilnahmen. Auch hierzu haben wir in der Vergangenheit bereit intensiv gearbeitet. Schließlich soll der PUA Konsequenzen aus seinen Erkenntnissen ziehen und Empfehlungen aussprechen, etwa für eine wirkungsvolleren Kommunikationsschutz, Einschränkungen der Tätigkeit deutscher Geheimdienste sowie deren besserer Kontrolle durch die Parlamente und andere. Auch wenn es pathetisch klingt: Ziel des Ausschusses muss sein, die Herrschaft des Rechts wieder herzustellen.

Wir streben an, im PUA alsbald Edward Snowden als Zeugen einzuladen und ihm hierfür sicheren Aufenthalt in Deutschland zusichern zu lassen. Auch sollen die von ihm lancierten Unterlagen im PUA beigezogen werden. Ich freue mich sehr auf die sicherlich sehr intensive Arbeit in den kommenden Jahren zu all diesen Themen. Der Ausschuss wird aus insgesamt acht Mitgliedern bestehen. Die Opposition stellt zwei davon, d.h sowohl Linke als auch Grüne entsenden jeweils ein Mitglied. Gemeinsam stellen sie ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses. Somit stehen der Opposition wichtige zusätzliche Rechte zu. Als ständiges Mitglied werde ich, als stellvertretendes Mitglied mein Kollege Hans-Christian Ströbele die Arbeit des Ausschusses betreuen. Wir beide werden an diesem Donnerstag, wenn der Parlamentarische Untersuchungsausschuss im Plenum des Bundestages Gegenstand einer Debatte sein wird, auch für die Grüne Bundestagsfraktion reden. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und die Unterstützung durch ein engagiertes Team. An dieser Stelle werden wir regelmässig über die Arbeit des Ausschusses berichten.

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