Nach dem 11. September 2001 wurden zur Terrorismusbekämpfung neue Befugnisse für die Sicherheitsbehörden geschaffen. Um zu verhindern, dass damit eventuell zu weitreichende Eingriffe in die Bürgerrechte auf Dauer legitimiert werden, haben wir damals die Befristung dieser Gesetze und eine Überprüfung der neuen Instrumente festgeschrieben.

Wolfgang Schäuble hat vor fünf Jahren die Evaluierung kurz entschlossen gleich selbst vorgenommen mit dem vorhersehbaren Resultat, dass die große Koalition nichts wegfallen ließ, dafür die Befugnisse über den Bereich Terrorismus hinaus ausdehnte. Dieses traurige Spiel wiederholte sich im letzten Jahr: Die schwarz-gelbe Evaluierung verdiente ihren Namen nicht. So wurde in etwa nicht geprüft, ob Bürgerrechte unzulässig beschränkt werden, sondern nur die Effizienz der Regeln.

Die Bundesjustizministerin wollte ursprünglich von zehn Befugnissen sieben entfallen lassen. Nun werden wenige, unbedeutende Instrumente gestrichen. Abgeschafft wurde zum Beispiel der kleine Lauschangriff – also die Wanze zur Eigensicherung, die nie zur Anwendung kam. Dass die Bundesjustizministerin ihr Umfallen gegenüber der Union dennoch als Erfolg feiert und von einer Tendenzwende redet, kann man nur als dreist bezeichnen. Denn mit dem Zugang zu den Zentralsystemen für Flugbuchungen und Bankdaten wurden weitreichende Voraussetzungen zur Profilbildung und zum Rastern im Datenbestand geschaffen. Ebendies wollte man im Hause der Justizministerin eigentlich vermeiden.

Ein reines Placebo war auch die Kommission zur Überprüfung der Gesetze: Sie soll angeblich unabhängig sein, ist in Wahrheit aber eine Regierungskommission, also allenfalls unabhängig von wissenschaftlichem Sachverstand und parlamentarischer Kontrolle.

Heute stellte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, eine Studie zur Evaluation von Sicherheitsgesetzen vor. Zusammem mit meinem Kollegen, Wolfgang Wieland, innerhalb der grünen Bundestagsfraktion für den Themenbereich Innere Sicherheit zuständig, habe ich hierzu folgendes erklärt. Auch der Gesetzgeber kann irren. Oder über das Ziel hinausschießen. Eindrucksvoll belegen das die Urteile des Bundesverfassungsgerichts. Es kassiert seit einigen Jahren Sicherheitsgesetze am laufenden Band. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Initiative des Bundesbeauftragten.

Kamera- und Telefonüberwachungen, Funkzellenabfragen und Anti-Terror-Dateien gehören heute viel zu oft zum Alltag, Millionen Bundesbürger sind hiervon alljährlich betroffen. Gesetze, die so weit gehende Maßnahmen erlauben, gehören auf den Dauerprüfstand. Deshalb fordern wir seit Jahren einen wirksamen Grundrechts-TÜV für den Sicherheitsbereich und haben entsprechende Initiativen im Bundestag mehrfach vorgelegt.

Auch wenn immer mehr Sicherheitsgesetze Evaluierungsklauseln enthalten: Der Schein trügt. Wenn Innenminister sich selbst evaluieren, dann ist damit für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger nichts gewonnen. Die Kontrolle ist Aufgabe der Parlamente. Auch beim Inhalt der Evaluationen hapert es oft. Auf den Prüfstand gehört nicht nur der Nutzen für die Sicherheit. Funktionieren muss auch der im Gesetz festgehaltene Grundrechtsschutz. Sonst erhalten wir Sicherheit zum Preis der Freiheit.

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