Nachdem der aktuelle Glücksspielstaatsvertrag Ende vorletzten Jahres auslief, verhandelten die Ministerpräsidenten über einen neuen Staatsvertrag. Geprägt wurden die Verhandlungen unter anderem durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das für Deutschland eine kohärenten Regelung sämtlicher Glücksspiele anmahnte. Bei der Neuausgestaltung des Glückspielstaatsvertrags (GlüStV) ging es für die  Bundesländer um viel Geld. Insgesamt wurden die zu erwartenden Steuermehreinnahmen bei einer Öffnung des Glücksspielmarktes von den Finanzministern der Länder auf 7,7 Milliarden Euro geschätzt. Die Europäische Kommission spricht EU-weitvon ca. 90 Milliarden Euro.

Eine stolze Summe, die so manchen in der Vergangenheit offenbar dazu verleitete, Bedenken von Seiten führender Suchtforscher und Bürgerrechtsgruppen zu ignorieren. So gab es im Zuge der Neuverhandlungen immer wieder Verwirrung um die Frage, ob der jeweils aktuelle Entwurf des Glückspielstaatsvertrags nun (noch) einen Passus, der das Sperren illegaler Anbieter erlaubt, enthält – oder eben nicht. So waren zum Beispiel in einer zwischenzeitlichen Fassung des Glückspielstaatsvertrags vom 4. April 2011, der auf einem Treffen der Ministerpräsidenten vom 6. April 2011 beraten wurde, in § 9 Abs. 1 Nr. 5 auch Netzsperren vorgesehen. Dort hieß es:

„Die zuständige Behörde des jeweiligen Landes kann […] Diensteanbietern im Sinne des Telemediengesetzes, insbesondere Zugangsprovidern und Registraren, nach vorheriger Bekanntgabe unerlaubter Glücksspielangebote die Mitwirkung am Zugang zu den unerlaubten Glücksspielangeboten untersagen. Das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. Hierdurch sind Telekommunikationsvorgänge im Sinne des § 88 Abs. 3 Satz 3 des Telekommunikationsgesetzes betroffen.“

Wir Grünen lehnen das Sperren von Inhalten im Internet aus vielerlei Gründen seit Jahren ab und haben uns immer wieder deutlich für den Grundsatz „Löschen statt sperren“ ausgesprochen. Für uns Grüne war daher von vornherein klar: Diese Formulierung und der Rückgriff auf Netzsperren sind für uns ist in keinster Weise tragfähig. Wir erinnern uns: Hauptschauplatz der Debatte um die Sinnhaftigkeit von Netzsperren war die Diskussion um das Zugangserschwerungsgesetz, das u.a. das Sperren von Internetseiten, die sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zeigen, vorsah. Auch hier haben wir uns zusammen mit vielen Verbündeten mit Hinweis auf die leichte Umgehbarkeit und die Tatsache, dass die Darstellungen im Netz verbleiben und das Sperren von Seiten letztlich kontraproduktiv wirkt, vehement gegen Sperren und für die effektive Löschung entsprechender Inhalte eingesetzt.

Im Zuge der Debatte um die Sinnhaftigkeit von Sperren auf diesem Gebiet wurde auch immer wieder die Befürchtung geäußert, Sperren könnte – einmal etabliert – auch auf andere Bereich ausgedehnt werden. Dies wurde von den Sperrbefürwortern immer vehement bestritten. Heute wissen wir: Diese Befürchtungen waren ganz offenbar angebracht. Letztlich hat sich die grüne Position, für die wir mit den anderen Oppositionsparteien, aber auch in sehr guter Zusammenarbeit mit vielen Bürgerrechtsgruppen gestritten haben, durchgesetzt: Am 13. April 2011 entschied das Bundeskabinett – übrigens mit Hinweis auf die von uns beim BKA immer wieder nachgefragten Evaluierungsstatistiken – ab sofort nur noch das Löschen entsprechender Inhalte vorzunehmen und das Zugangserschwerungsgesetz endgültig zurückzunehmen. Dies ist mittlerweile geschehen.

Vor diesem Hintergrund, aber auch vor den Erfahrungen im Zuge der Verhandlungen um den im vergangenen Jahr gescheiterten Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) haben wir immer wieder darauf hingewiesen, dass wir der anhaltenden Forderungen nach Netzsperren nicht nur nach wie vor für falsch, sondern zudem auch für politisch nicht mehr umsetzbar halten. So ist es schlicht nicht erklärbar, warum man beim sexuellen Missbrauch von Kindern entsprechende Inhalte zwar nicht sperrt, dies aber bei der Verhinderung illegaler Glückspielangebote tun will.

Als Grüne haben wir Staatsverträge, die das Sperren von Seiten vorsahen, daher immer abgelehnt – auch weil wir die Befürchtung hatten und haben, dass der Aufbau einer weitreichenden Sperrinfrastruktur die mögliche Folge sein könnte. Statt für die Etablierung einer solchen Sperrinfrastruktur haben wir uns für effektive Instrumente zur Unterbindung illegaler Angebote eingesetzt. In diesem Zusammenhang haben wir uns u.a. auch für entsprechende Werbeverbote und eine verbesserte Aufsicht über die in dem Bereich fließenden Zahlungen eingesetzt. Gleichzeitig spielte für uns der Bereich der Suchtprävention eine herausragende Rolle. Da der Staatsvertrag zwischen den Bundesländern beraten wurde, haben wir als Netzpolitiker auf Bundesebene eine koordinierende Funktion eingenommen. So ist es uns schließlich gelungen, rechtzeitig zu den Beratungen der Ministerpräsidenten eine gemeinsame Stellungnahme der FachpolitikerInnen der grünen Länder auf den Weg zu bringen, in dem wir deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass wir keinen Glückspielstaatsvertrag unterstützen, in dem auf Netzsperren zurückgegriffen wird.

Nach einer monatelangen Hängepartie einigten sich die Bundesländer (mit Ausnahme Schleswig-Holsteins) schließlich im Oktober 2011 auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag – ohne Netzsperren. Dieser ist mittlerweile in Kraft. Zwischenzeitlich hat die Debatte endgültig die Bundesebene erreicht. So stimmte der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am heutigen Mittwoch nach einigen Änderungen schließlich einem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu, der vorsieht, Online-Glückspiele in die Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aufzunehmen. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass Anbieter in Branchen, bei denen ein erhöhtes Geldwäsche-Risiko vermutet werden kann, besondere Sorgfaltspflichten nach dem Geldwäschegesetz erfüllen müssen. So werden die Anbieter unter anderem verpflichtet, einen Geldwäschebeauftragten zu bestellen. Zudem ist vorgesehen, Zahlungsflüsse von und auf Spielkonten durch ein EDV-gestütztes Monitoring-System überprüfen zu lassen.

Netzsperren sind in dem Entwurf nicht vorgesehen. Das ist ausdrücklich zu begrüßen und sicherlich ein Stück weit das Resultat der intensiven Diskussionen der Vergangenheit. Gleichzeitig hält die Europäische Kommission, nachdem sie sich fast drei Jahre lang im Rahmen von Konsultationsverfahren und Expertenworkshops mit der Frage beschäftigt hat, wie das stark expandierende Online-Glücksspiel europaweit einheitlich reguliert werden kann, in einem aktuellen Aktionsplan an dem höchst umstrittenen Mitteln DNS-Sperren fest. Die Bundesregierung muss sich nun auf europäischer Ebene mit Hinweis auf die in Deutschland intensiv geführte Debatte gegen eine verpflichtende Regelung von DNS-Sperren aussprechen. Um ihre Bereitschaft hierzu zu erhöhen, haben ich heute folgende Frage an die Bundesregierung gestellt.

Hält die Europäische Kommission nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung an ihren in einem aktuellen Aktionsplan formulierten Überlegungen des Einsatzes von DNS-Sperren im Bereich des Online-Glückspiels weiterhin fest und setzt sich die Bundesregierung auf der europäischen Ebene, auch vor dem Hintergrund eines kürzlich hierzu von ihr vorgelegten Gesetzesentwurfs,  gegen den Rückgriff auf entsprechende Sperren ein?

Über die Antwort der Bundesregierung halten wir Euch auf dem Laufenden.

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