Die Geschichte des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und der Union ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Während das Grundgesetz die Unabhängigkeit und Staatsferne von ARD und ZDF garantiert, glauben die Konservativen wohl immer noch, dass das für sie nicht so gilt.

Diese Annahme zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der Öffentlich-Rechtlichen. Wie war das damals bei Scheibenwischer, als Dieter Hildebrandt einen Sketch plante, der dem bayrischen Landesvater Strauss wohl nicht gefiel und der Bayrische Rundfunk kurzerhand die Sendung nicht zeigte? Oder wie ging sie bei der Wahl des Chefredakteurs des ZDF vor, als CDU-Mann Roland Koch gegen den politisch ungeliebten Nikolaus Brender putschte? Ja, sogar die Existenz des ZDF beruht letztlich auf der kruden Auffassung der Union vom Verhältnis Staat und Medien: Eigentlich wollte Adenauer ein Staatsfernsehen gründen. Stattdessen bekam er dafür vom Bundesverfassungsgericht die rote Karte und dem Öffentlich-Rechtlichen wurde noch mal explizit die Staatsferne als Grundlage bescheinigt. Dieses erste Rundfunkurteil sollten sich die politischen Erben von Adenauer und Strauss eigentlich ein Mal jährlich durchlesen, damit sie erinnert werden, dass der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk unabhängig berichten soll – und nicht die Spielwiese von Regierungen ist.

Aber offensichtlich ist die Verlockung zu groß, so auch beim – nun ehemaligen – Pressesprecher der CSU, Hans Michael Strepp. Mit einem Anruf wollte er laut Aussagen mehrerer ZDF Redakteure die Berichterstattung über den Konkurrenzparteitag der Bayern-SPD verhindern. Nicht ein Mal. Nicht zwei Mal. Drei Mal kontaktierte er ZDF-Journalisten, um sich Gehör zu verschaffen. Dann die wenig versteckte Drohung, dass nicht über den „Krönungsparteitag“ der SPD berichtet werden solle, sonst gäbe es „Diskussionen“. Ich habe selbst viele Jahre lang im ZDF gearbeitet, zuletzt als Schlussredakteurin. Und sicher wurde auf den Fluren darüber geredet, wenn wieder ein Politiker probierte, Druck auszuüben. Aber ein solch dummdreister Fall ist mir in meiner Zeit nie zu Ohren gekommen. Was sagt das eigentlich über die CSU aus, dass das Verständnis ihres Pressesprecher zur Unabhängigkeit ein sehr … eingeschränktes ist? Und wer glaubt denn wirklich daran, dass ein Pressesprecher solche Anrufe mit so einer Hartnäckigkeit ohne Rücksprache macht? Jeder, der sich ein bisschen mit der politischen Pressearbeit auskennt, weiß doch, dass es bei solchen Aktionen zumindest eine Rücksprache mit der Parteispitze gegeben haben muss. Hans Michael Strepp ist deshalb das Bauernopfer, und ob jetzt Dobrindt oder Seehofer selbst Anrufe veranlassten, werden wir vielleicht nie erfahren.

Entlarvend war aber diese ganze Aktion schon – und vermutlich kein Einzelfall. Wie oft die Politik versucht, die Unabhängigkeit von ARD und ZDF zu untergraben, darüber können wir nur mutmaßen. Das ZDF hat richtig reagiert und den Fall publik gemacht. Und vor allem hat es dem unanständigen Ansinnen der CSU nicht nachgegeben. Jetzt wird die Affäre in den Gremien des ZDFs zu diskutieren sein. Und da haben wir das nächste Problem: Denn wer sitzt da unter anderem? Herr Alexander Dobrindt, Generalsekretär der CSU im Fernsehrat, und Horst Seehofer, Ministerpräsident und Landesvorsitzender der CSU im Verwaltungsrat. Das wird bestimmt eine sehr offene und ergebnisorientierte Diskussion geben, wenn diese Herren dann beispielsweise auf die Herren Beck, Platzek und Tillich (Verwaltungsrat) stoßen oder in trauter Runde mit Herrn Rösler oder einer Armada an Staatssekretären und –ministern im Fernsehrat sitzen. Merken Sie was? Bei den Gremien selbst beginnt doch schon das Problem. Regierungsvertreter, wohin man schaut. Als wir wegen der Causa Brender ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht angestrebt hatten, hatte der Mainzer Medienrechtler Prof. Dieter Dörr für die grüne Bundestagsfraktion eine Stellungnahme verfasst. Alleine im ZDF-Fernsehrat rechnet er, dass mindestens 50 von den 77 Mitgliedern der staatlichen Sphäre zuzuordnen sind. In Worten: FÜNFZIG! Wir GRÜNE wollen deshalb, dass die Unabhängigkeit wieder hergestellt wird, und fordern deshalb, dass Regierungsvertreter nicht mehr bei ARD und ZDF in Aufsichtsgremien sitzen dürfen. Ich hoffe sehr, dass Karlsruhe uns darin bestärken wird. Das Urteil ist, soweit man hörtfünkchen vor 2014 geplant. Das ist mehr als schade. Fälle wie Strepp zeigen, dass wir rasch ein starkes Signal aus Karlsruhe brauchen. Vielleicht würden CDU und CSU es ja dieses Mal kapieren.

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