In den vergangenen Wochen ist viel über eine höchst zweifelhafte Zusammenarbeit zwischen deutschen und weißrussischen Sicherheitsbehörden berichtet worden. Das autoritär geführte Land gilt als „letzte Diktatur Europa“. Vor diesem Hintergrund gab es berechtigte Kritik an derartigen Amtshilfen deutscher Sicherheitsbehörden für den weißrussischen Militär- und Sicherheitsapparat. Beinahe jeden Tag kamen neue Hiobsbotschaften an´s Tageslicht. So wurde im Zuge weiteren Recherchen deutlich, dass weißrussische Polizisten u.a. bei einem Castor-Transport nach Gorleben 2010 beteiligt waren. Zudem wurde bekannt, dass deutsche Behörden Sicherheitstechnik an das Land lieferten. Noch immer herrscht eine gewisse Unklarheit darüber, wie weit die Kooperation zwischen Deutschland und Belarus genau ging und was genau an Technik von deutscher Seite geliefert wurde.

Während die Frage, ob auch Schlagstöcke an das Land geliefert wurden, von Seiten der Bundesregierung verneint wurde, hat die Bundesregierung mittlerweile bestätigt, dass Deutschland Weißrussland Computer- und Kameratechnik lieferte. So wird ein Sprecher der Bundesregierung mit der Aussage zitiert, dass sich die Ausstattungshilfe der Regierung auf Computer- und Kameratechnik, die in den Jahren 2008 bis 2010 geliefert worden sei, beschränkte.  Um was genau es sich dabei handelte, war bisher unklar. An Einzelposten wurde lediglich die Lieferung von 15 Computern mit Zubehör durch das Bundeskriminalamt (BKA) im Wert von etwa 10.000 Euro sowie eine Ausstattung mit Computern und Videotechnik durch die Stabstelle des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien (IBP) in Höhe von etwa 41.000 Euro genannt. Um genauere Informationen zu bekommen, was exakt geliefert wurde, haben sowohl die Linke als auch wir Grünen parlamentarische Nachfragen an die Bundesregierung gerichtet.

Am gestrigen Dienstag berichtete SPON bereits über die Antwort der Bundesregierung, genauer des Innenministeriums, auf eine Frage der Linken, die ans Tageslicht brachte, dass auch Software zur automatischen Datenanalyse geliefert wurde. Kritiker fürchten, dass solche Programme durchaus der Rasterfahndung und der Verfolgung von Oppositionellen dienen könnten. Weiter wurde bekannt, dass die umstrittene Zusammenarbeit des Bundeskriminalamts mit weißrussischen Polizeibehörden offenbar auch Software-Schulungen umfasste. So habe man in Schulungen Informationen „im Bereich der Biometrie und der Risiko-Kriminalitätsanalyse“ weitergegeben sowie „Grundlagen und Methoden der polizeilichen Informationsverarbeitung“, der so genannten Operativen Analyse. Als Teil der Workshops seien Programme vorgeführt worden, mit denen Informationen automatisch aufbereitet werden.

Wer nun glaubt, dass derartige Workshops eine Ausnahme sind, der irrt. So hat das BKA in den vergangenen Jahren bereits ähnliche Workshops mit Teilnehmern u.a. aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei, Russland, China, und Aserbaidschan durchgeführt – alles Länder, die nicht gerade für ihre hohen menschenrechtlichen Standards berühmt sind.

In Bezug auf die Lieferung von Computertechnik wollten wir von der Bundesregierung auch vor dem Hintergrund der seit langem geführtem Debatte um den Export entsprechender Programme und den jüngsten Beteuerungen des Bundesaußenministers wissen, inwieweit neben der bisher durch die Medien bekannt gewordenen Zusammenarbeit deutscher Bundes- und Landesbehörden mit weißrussischen Behörden, die unter anderem auch die Ausstattung weißrussischer Sicherheitskräfte mit Kameras und Computern beinhaltete, auch Computerprogramme mitgeliefert wurden. Ferner wollten wir, sollte dies der Fall sein, wollten wir von der Bundesregierung wissen, um was für Programme es sich genau handelte und ob unter ihnen auch Programme zur Durchführung von Online-Durchsuchungen und anderen Telekommunikationsüberwachungen waren?

Hier die Antwort der Bundesregierung auf meine Frage:

Softwareprogramme zur Durchführung von Online-Durchsuchungen und anderer Tele­kommunikationsüberwachungen wurden weißrussischen Behörden nicht zur Verfügung gestellt. Die geleistete Ausstattungshilfe von Informationstechnik und Kameras zu Gunsten Weißrusslands beinhaltete allein handelsübliche Software (u. a. Betriebssystem, MS Office), sowie in einem Fall für die Rauschgiftabteilung des Innenministeriums in Minsk fünf Arbeitsplatzcomputer (einschließlich Monitor und Drucker) nebst kriminal­polizeilicher Software. Bei dieser Software handelte es sich um eine von der staatlichen Universität Belarus entwickelte Anwendersoftware „Expertenarbeitsplatz zur Untersuchung und Identifizierung von Rauschgiftmitteln, psychotropen und Vorläufersubstanzen“, die von Deutschland bezahlt wurde.

Angesichts der Erkenntnisse der letzten Wochen bezüglich der Zusammenarbeit deutscher und weißrussischer Sicherheitsbehörden, aber auch mit Blick auf die bisherige Weigerung der Bundesregierung, den Export von Technik zur Überwachung und Zensur durch deutsche Unternehmen an autoritäre Staaten effektiv zu unterbinden sowie dem Wissen, dass Vertreter deutscher Sicherheitsbehörden in der Vergangenheit entsprechende Programme beworben haben, ist man versucht, die Antwort der Bundesregierung und die Beteuerung, in diesem Fall keine entsprechenden Programme an weißrussische Sicherheitsbehörden geliefert zu haben, fast als Lichtblick bezeichnen. Eigentlich ist die Antwort jedoch eine Selbstverständlichkeit.

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