Am gestrigen Sonntagabend wurden die im Rahmen der schleswig-holsteinischen Koalitionsverhandlungen von einzelnen Untergruppen verhandelten Ergebnisse abschließend in großer Runde besprochen und der Entwurf eines Koalitionsvertrag schließlich von den jeweiligen Landesvorsitzenden von SPD, SSW und Grünen vorgestellt. Der Entwurf des Koalitionsvertrags, der an diesem Samstag noch von den jeweiligen Parteitagen beschlossen werden muss, steht ab heute zum download bereit.

An dieser Stelle möchten wir Euch stichpunktartig die wichtigsten Ergebnisse aus der Arbeitsgruppe Innen & Justiz vorstellen, deren Arbeit ich zusammen mit zwei Abgeordneten aus Schleswig-Holstein als Verhandlungsführer der Grünen in den vergangenen gut zweieinhalb Wochen intensiv begleitet  habe. Unter der Überschrift Innen & Justiz haben wir in mehreren Sitzungen die Themenbereiche Kommunales, Inneres, Wahlrecht, Justiz, Integration und Flüchtlinge, Bürgerbeteiligung, Datenschutz & digitaler Verbraucherschutz, Netzpolitik und Medien in insgesamt über 70 Unterpunkten verhandelt.

Wir freuen uns, dass es uns gelungen ist, uns in vielen Bereichen auf sehr progressive, liberale und fortschrittliche Positionen zu einigen. An dieser Stelle zu den einzelnen Abschnitten die wichtigsten Stichworte aus dem Koalitionsvertrag.

Innen

  • Die Landesregierung wird ein progressives Versammlungsfreiheitsgesetz  (Konfliktmanagement, Dialog und Demonstrationsbeobachtung) einbringen, in dem Demonstration nicht als Gefahr, sondern als Ausübung eines Grundrechts begriffen wird.
  • Wir werden bei sogenannten „geschlossenen Lagen´“ eine individualisierte, anonymisierte Nummernkennzeichnung bei der Polizei einführen und eine Initiative auf Bundesebene mit dem Ziel einer einheitlichen bundesweiten Regelung starten.
  • Wir werden die Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten schaffen, der für Konfliktfälle innerhalb und außerhalb der Polizei zuständig sein wird.
  • In der Verfolgung von Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ setzen wir auf eine verbesserte Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und bewährte Ermittlungsmethoden. Den Einsatz von Netzsperren, Staatstrojanern und die Vorratsdatenspeicherung lehnen wir hingegen ab.
  • Im Bereich der Bekämpfung des Rechtsextremismus haben wir eine Stärkung der Beratungsstrukturen (auch mobil und flächendeckend) und ein Ausstiegsprogramm beschlossen.
  • Wir werden uns für die Abschaffung der Extremismusklausel einsetzen und haben darüber hinaus ein Forschungsprojekt zur Aufarbeitung der strukturellen und personellen Kontinuität nach dem Dritten Reich in Schleswig-Holstein, insbesondere  des Landestages vereinbart.
  • Wir werden das Wahlrecht ab 16 Jahren bei den Landtagswahlen einführen.

Justiz

  • Wir wollen die Selbstorganisation der Justiz voranbringen und noch stärker auf Mediationen, Täter-Opfer-Ausgleich setzen.
  • Den Warnschussarrest bei Jugendlichen lehnen wir ab.
  • Generell werden wir das Übergangsmanagement verbessern, um die Rückfallquoten zu senken.

Drogen:

  • Bundesratsinitiative zur Entkriminalisierung
  • Überprüfung und Anhebung der geringen Menge
  • Modellprojekt zum Drugchecking
  • Verordnung zu Drogenkonsumräumen

Migration & Flucht

  • Wir werden die Migrationssozialberatungen in ihrem Bestand sichern und weiter stärken.
  • Die von uns als Ziel formulierte Willkommenskultur in SH wollen wir im Verwaltungshandeln umgesetzt sehen und haben an verschiedenen Stellen humanitäre Leitlinien gesetzt.
  • Wir setzen uns für die Ausweitung von Sprachkursen, verbesserte Bleiberechtsregelungen und eine Abschaffung der Abschiebehaft ein.
  • Die Koalition bekennt sich zur Einführung eines allgemeinen Wahlrechts für (alle) AusländerInnen bei Kommunal- und Landtagswahlen bekannt.

Bürgerbeteiligung/Open Data

  • Bürgerbegehren und die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene und die landesweite Volksinitiative werden über eine Absenkung der Hürden gestärkt.
  • Schleswig-Holstein soll Vorbild der Informationsfreiheit werden. Dazu werden wir Schritt für Schritt alle Daten des Landes zur Verfügung stellen (Open Data).
  • Gleichzeitig sollen mit den BürgerInnen neue Modelle der Bürgerbeteiligung ausprobiert und ein Open-Data-Portal entwickelt und fortentwickelt werden.

Netzpolitik

  • Jede Schleswig-HolsteinerIn soll einen Breitbandanschluss erhalten. Neben anderen Mechanismen unterstützen wir dazu auf Bundesebene die Aufnahme dieser in den Universaldienstkatalog.
  • Das Land bekennt sich zur Netzneutralität im Internet und wird die Ausschreibungskriterien dahingehend überarbeiten.
  • Im Wissenschafts-, Hochschul- und Schulbereich setzen wir uns für offene Lizenzen (Open Access und Open Education Ressources) ein. Alternative Lizenzen wir Creative Commons werden unterstützt.

Medien

  • Die Arbeit der Gremien der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks soll transparenter und öffentlich gemacht werden. Dies streben wir auch beim Aushandeln von Staatsverträgen, mindestens durch eine bessere Beteiligung des Landesparlaments, an.
  • Bei den öffentlich-rechtlichen Inhalten wollen wir das Allgemeinwohlinteresse stärken und die Pflicht zur Depublizierung zugunsten der Nutzer verändern und bereits bestehende (auch analoge) Inhalte digital der Allgemeinheit zur Verfügung stellen.
  • Wir wollen die Digitalisierung des Hörfunks ausbauen und gleichzeitig den Zugang zu Bürger und Campusradios sicherstellen.

Unser Gesamtfazit der Verhandlungen: Der Abschnitt Innen & Justiz des Entwurfs eines schleswig-holsteinischen Koalitionsvertrages atmet insgesamt ein neues, freiheitliches und an Bürgerrechten orientiertes Politikverständnis und trägt eine klare grüne Handschrift, so dass wir insgesamt sehr zufrieden aus den Verhandlungen gegangen sind.

Bitte beachtet: Bei dieser Übersicht handelt es sich natürlich nur um eine – sehr verkürzte – Übersicht der tatsächlich verhandelten und schließlich beschlossenen Einzelpunkte des grün-rot-blauen Koalitionsvertrages. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir an dieser Stelle darauf verzichtet, sämtliche Punkte und/oder Zitate aus dem Koalitionsvertrag  anzuführen. Über Eure Anmerkungen zum Koalitionsvertrag freuen wir uns.

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