Das Anti Counterfeiting Trade Agreement (kurz ACTA) ist derzeit in aller Munde. Am Wochenende habe ich dem Nachrichtensender n-tv ein Interview hierzu gegeben, dass wir an dieser Stelle dokumentieren.

Ein Abkommen über die Durchsetzung des Urheberrechts im Internet, das ACTA, sorgt kurz vor seiner Ratifizierung nicht nur in Europa für heftigen Streit. Der Grünen-Abgeordnete Albrecht erklärt im Interview mit n-tv.de, wo exakt er die Gefahren sieht.

n-tv.de: In der Netzgemeinde rumort es wegen ACTA. Aber was ist das überhaupt?
Jan Philipp Albrecht: In Langform heißt es Anti-Counterfeiting Trade Agreement. Das ist ein Abkommen, das zwischen den EU-Staaten und einigen Schwellenländern vereinbart wird zur stärkeren Durchsetzung des Schutzes des geistigen Eigentums. Insbesondere sollen hier Maßnahmen an den Grenzen, aber auch im Internet verschärft werden.

Das klingt doch zunächst positiv. Was ist denn jetzt so gefährlich daran?
Das ACTA-Abkommen sollte eigentlich mal Produktpiraterie im eigentlichen Sinne des Wortes bekämpfen, zum Beispiel gefälschte iPhones oder andere Markenprodukte. Doch diese Idee spielt im Abkommen schon längst nicht mehr die zentrale Rolle. Stattdessen vereinigt ACTA eine Koalition der Willigen, die bereit ist, sehr scharfe Durchsetzungsmaßnahmen für das Urheberrecht im Internet voranzubringen.

Zum Beispiel?
Etwa durch die stärkere Einbeziehung privater Akteure wie etwa den Internet-Providern in die Rechtsdurchsetzung und die Durchsetzung bestimmter polizeilicher Maßnahmen.

Das heißt Datenübergabe?
Ja, aber das steht nicht im Vordergrund. Die Internet-Provider sollen vielmehr ermutig werden, selbst zum Akteur zu werden – und die Nutzer und ihre Seiten zu beschneiden durch das Abschalten des Internetzugangs oder voreilige Beseitigung von Inhalten.

Aber was hätten die Provider davon?
Im Grunde vor allem Kosten und Verantwortung. Doch einige Internet-Provider haben enge Beziehungen zur Unterhaltungsindustrie , die ein großes Interesse an der Bekämpfung des privaten Tauschens von Inhalten hat. Auf der anderen Seite würden sie aber Kontrollaufgaben übernehmen, die eigentlich dem Rechtsstaat beziehungsweise der Polizei zukommen. Und eventuell agieren sie sogar in vorauseilender Vorsicht, weil sie für Verstöße haftbar gemacht werden können.

Es geht also inzwischen vielmehr um downloadbare Produkte, nicht mehr um das T-Shirt aus Thailand mit einem schlechten Nike-Logo drauf?
Genau, es geht schon lange nicht mehr um die Produkte zum Anfassen. Die Länder, die das beträfe, sind gar nicht beteiligt an dem Abkommen. Die wahren Interessen sind, endlich die scharfe Durchsetzung des Urheberrechts im Internet voranzubringen.

Wer aber illegal Musik runterlädt oder vertreibt, wird aber doch zurecht bestraft. Wie ist es denn dann damit?
Das Internet verändert aber doch die Frage, wie von wem welches Recht durchgesetzt wird. Wir müssen das überdenken. Kommerzielle Urheberrechtsverletzer wie „Megaupload“ oder „kino-to“ haben bei uns nichts zu suchen – und sie sollten auch Ziel der Rechtsverfolgung sein. Mit dem gleichen Recht darf aber nicht gegen das nichtkommerzielle Austauschen von urheberrechtlich geschütztem Material zwischen normalen Bürgern vorgegangen werden. Mit diesem Abkommen wird aber der normale User genauso verfolgt wie ein organisierter Verbrecher. Und die Provider wären die neuen Hilfssheriffs dabei. Das aber darf nicht sein.

Wer kann ACTA denn noch aufhalten?
Im Grunde nur das Europäische Parlament, das zustimmen muss. Und einige nationale Parlamente, unter anderem der Bundestag. Ich hoffe, dass die Parlamentarier sich von der derzeitigen Protestbewegung überzeugen lassen und Nein zu ACTA sagen.

Mit Jan Albrecht sprach Jochen Müter

Die Originalversion des Interviews findet Ihr auf den Seiten von n-tv.

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