Der Datenschützer Patrick Breyer und der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland (Sprecher für Innere Sicherheit) haben beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde (pdf 2,51 MB) gegen ein Gesetz zur Vorratsspeicherung der Internetnutzung eingereicht. Die  Entscheidung des Gerichtshofs könnte der umstrittenen verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung in Europa ein Ende setzen.

Das am 18. Juni 2009 beschlossene „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes“ ermächtigt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erstmals, ohne Anlass Informationen über die elektronische Kommunikation aller Bürgerinnen und Bürger mit den 500.000 Bundesbediensteten und Bundestagsabgeordneten (z.B. per E-Mail) aufzuzeichnen. Erfasst werden kann zudem auch das Surfverhalten von Bürgerinnen und Bürgern auf Internetportalen von Bundesbehörden.

Wolfgang Wieland:

„Durch dieses Gesetz ist das BSI zum Bundesamt für Unsicherheit in der Informationstechnik geworden. Es ermächtigt zu einer grenzenlosen Vorratsdatensammlung. In grotesker Weise wird verkannt, dass der Bürger nicht nur einen Anspruch auf Sicherheit durch den Staat, sondern auch einen Anspruch auf Sicherheit vor dem Staat hat.“

Patrick Breyer ergänzt:

„Ich hoffe, der Menschenrechtsgerichtshof wird dem rumänischen Verfassungsgerichtshof folgen und das Prinzip einer verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung generell für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention erklären. Damit wäre nicht nur das BSI-Gesetz, sondern auch die fatale EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vom Tisch. Bis zur Entscheidung des Gerichtshofs appelliere ich an FDP, CDU und CSU, ihre Pläne zur verdachtslosen Vorratsspeicherung aller unserer Internet-Verbindungen aufzugeben. Eine derart wahllose Aufzeichnung von Informationen über unsere Internetnutzung droht die Privatsphäre der 50 Mio. Internetnutzer in Deutschland dem permanenten Risiko von Datenpannen, Datenmissbrauch und falschem Verdacht auszusetzen.“

Hintergrund:
Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 des BSI-Gesetzes ermächtigt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Informationen über die elektronische Kommunikation von und mit Behörden, Mitarbeitern und Abgeordneten des Bundes aufzuzeichnen und automatisiert auszuwerten. Namentlich wird die Aufzeichnung von Verkehrsdaten über jede computergestützte Kommunikation mit Bundesbehörden (z.B. per E-Mail, Internettelefonie oder Instant Messaging) sowie über jede Nutzung öffentlicher Internetportale von Bundesorganen erlaubt.

Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 BSI-Gesetz ermächtigt das BSI, die an den Schnittstellen der Kommunikationstechnik des Bundes anfallenden Daten automatisiert auszuwerten. Dies betrifft nicht nur Verkehrsdaten über die computergestützte Kommunikation mit Bundesbehörden (z.B. per E-Mail) und Daten über die Nutzung öffentlicher Internetportale. Vielmehr dürfen auch der Inhalt computergestützter Kommunikation mit Bundesbehörden (z.B. E-Mails) sowie die von öffentlichen Internetportalen abgerufenen und dorthin übertragenen Inhalte automatisiert überprüft und ausgewertet werden.

Paragraf 5 Absatz 2 BSI-Gesetz ermächtigt das BSI unter minimalen Voraussetzungen, die näheren Umstände jeder elektronischen Kommunikation von und mit Behörden, Mitarbeitern und Abgeordneten des Bundes drei Monate lang auf Vorrat zu speichern. Auf Vorrat gespeichert werden dürfen namentlich Protokolle gewechselter E-Mails sowie Protokolle der Nutzung öffentlicher Internetportale von Bundesorganen und Bundesbehörden.

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