Am gestrigen Donnerstag debattierte der Deutsche Bundestag erneut über die geplanten Abkommen der EU mit den USA und Australien zur Speicherung von Fluggastdaten (PNR = Passenger Name Record). Das Thema Flugastdatenabkommen bearbeiten wir Grünen sowohl im Deutschen Bundestag als auch im Europäischen Parlament seit langem intensiv. Hier eine Übersicht der dazu bisher auf gruen-digital.de erschienen Artikel.

Gegenstand der gestrigen Debatte war u.a. ein von uns in den Bundestag eingebrachter Antrag mit dem Titel „Gutachten über die geplante EU-Fluggasdaten-Abkommen mit den USA und Australien beim Gerichtshof der Europäischen Union einholen“ mit dem wir die Bundesregierung auffordern, die nach wie vor im Raum stehenden und von zahlreichen wissenschaftlichen Diensten mittlerweile bestätigten, erheblichen Bedenken hinsichtlich der rechtskonformen Ausgestaltung der Abkommen endlich ernst zu nehmen und die Rechtskonformität der geplanten Abkommen mit den USA und Australien noch einmal vom Gerichtshof der Europäischen Union überprüfen zu lassen.

An dieser Stelle dokumentieren wir noch einmal meine gestrige Protokollrede.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wir dürfen hier nicht sehenden Auges eine Situation entstehen lassen, in dem die EU grundrechtswidrige Abkommen abschließt.

Mit diesem Satz habe ich Sie in der ersten Lesung im Juni 2011 bereits um Zustimmung zu unserem Antrag gebeten. Mit diesem Satz bitte ich Sie noch einmal um Unterstützung unseres Antrags, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, die geplanten Abkommen über die Weitergabe von Passagierdaten (PNR) an die USA und Australien dem EuGH zur Prüfung vorzulegen.

Meine Damen und Herren von der Koalition, liebe Frau Piltz, lieber Herr Binninger, was haben Sie denn für ein Selbstverständnis als Parlamentarier in der Regierungskoalition? Die Bundesregierung enthält sich (als einzige EU-Regierung) bei der Abstimmung über das PNR-Abkommen mit Australien im Rat der Stimme – und zwar aufgrund erheblicher Datenschutzbedenken. Und was machen Sie? Sie lehnen eine Vorlage dieses Abkommens und des PNR-Abkommens mit den USA zum EuGH mit der schlichten Begründung ab, Terrorbekämpfung sei nötig und es hätte schon einmal schlechtere Abkommen gegeben!

Und was, meine Damen und Herren von der Koalition,  haben Sie für ein Verständnis von Demokratie und Gewaltenteilung? Die Bundesregierung hat im Rat erhebliche Bedenken gegen die PNR-Abkommen wegen Zweifeln an der Rechtsgrundlage geäußert. Das heißt übersetzt: die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die PNR-Abkommen mit den USA und Australien von den nationalen Parlamenten, also auch vom Deutschen Bundestag ratifiziert werden müssten. Die Bundesregierung konnte sich mit dieser Auffassung im Rat aber nicht durchsetzen. Und was machen Sie? Sie akzeptieren brav wie die Schafe auf dem Weg zur Schlachtbank, dass dem Bundestag hier möglicherweise Rechte vorenthalten werden, statt sich dafür einzusetzen, dass auch diese Frage vom EuGH in einem Gutachten geklärt wird.

Jetzt aber noch einmal zu den Inhalten, dem Kern der Besorgnis der Grünen als Bürgerrechtspartei: auch wenn im Laufe der Verhandlungen mit Australien und den USA und Australien einzelne Verbesserungen erreicht wurden: eine ganze Reihe von Experten und Institutionen haben massive Zweifel an der Vereinbarkeit der geplanten PNR-Abkommen mit den EU-Grundrechten, der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Deutschen Grundgesetz. Ich brauche das hier nicht zu wiederholen, die Einzelheiten wurden vielfach vorgebracht und wir haben Sie hier auch diskutiert. Die berechtigten Datenschutzbedenken gegen die geplanten PNR-Abkommen lassen sich aber einfach nicht wegdiskutieren – wie man ja unschwer auch am Abstimmungsverhalten der Bundesregierung erkennen kann.

Frau Piltz: Zweckbindung, Ausschluss grundrechtswidrigen Profilings und der Weiterleitung von Daten in Unrechtsstaaten, unabhängige Datenschutzkontrolle – das sind Ihre Themen und das sind die zentralen Kritikpunkte an den PNR-Abkommen mit den USA und Australien, geäußert nicht nur vom Juristischen Dienst der Europäischen Kommission, sondern auch vom Europäischen Datenschutzbeauftragten und führenden Experten. Im Juni habe Sie an dieser Stelle gesagt, was die Fluggastdaten angeht, müsse im Sinne des Rechtsstaates gerettet werden, was noch zu retten ist. Ihre Parteikollegin Frau Leutheusser-Schnarrenberger wird in der Regierung hart gekämpft haben um die Enthaltung beim PNR-Abkommen mit Australien. Jetzt sind wirklich mal Sie dran mit dem Retten – und ich meine damit nicht das Retten der Koalition- : setzen Sie sich innerhalb der Koalition durch und nützen Sie damit die Möglichkeit, die der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union uns gibt: die Möglichkeit nämlich, diese eklatant grundrechtswidrigen Abkommen dem EuGH zur Prüfung vorzulegen, bevor sie in Kraft treten.

Nun zu Ihnen, Herr Binninger: Sie haben im Innenausschuss gesagt, dass Parlamentarier nach Mehrheiten entscheiden und nicht nach Gerichtsentscheidungen und dass Sie deswegen einer Grundrechtskontrolle durch den EuGH nicht zustimmen können. Da bleibt mir ja fast die Spucke weg, Herr Binninger, wenn das Ihr Verständnis von Gewaltenteilung sein sollte: was grundrechtswidrig ist, bestimmt allein das Parlament und wenn es dann doch schief geht und die Sache irgendwie vor dem Bundesverfassungsgericht landet, dann bringen wir die deutschen Grundrechtshüter vom Verfassungsgericht halt in die europapolitische Bredouille, in dem wir sie vor die Entscheidung stellen, sich entweder für Europa oder für die Grundrechte zu entscheiden?

Umgekehrt, Herr Binninger, wird ein Schuh draus. In seinem Urteil zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber unmissverständlich dazu aufgefordert, sich für die Wahrung verfassungsrechtlicher Datenschutzstandards auf europäischer und internationaler Ebene einzusetzen. Wenn also allenthalben und sogar innerhalb Ihrer Regierungskoalition Zweifel an der Grundrechtskonformität bestehen, ist es Ihre Pflicht, dem nachzugehen und alle verfügbaren Mittel zu ergreifen, um das Inkrafttreten grundrechtswidriger Abkommen zu vermeiden.

Noch ist es nicht zu spät: stimmen Sie unserem Antrag zu fordern Sie die Bundesregierung auf, die geplanten PNR-Abkommen mit Australien und den USA dem EuGH vorzulegen. Nach der Enthaltung der Bundesregierung beim Abkommen mit Australien wäre dieser Schritt nur konsequent.

Über den weiteren Verlauf der Beratungen im Parlament werden wir hier weiterhin berichten.

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