Mit der Sitzung vom 17. Oktober 2011 (wir hatten vorab berichtet) hat die Enquête-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ auch Beschlüsse zur Frage der Netzneutralität gefasst. Den zur Abstimmng stehenden Text der Projektgruppe Netzneutralität (pdf 858 KB) findet Ihr hier.

Die Enquête-Kommission hat sich über ein halbes Jahr mit dem Thema „Netzneutralität“ beschäftigt, also die Frage gestellt, ob Daten unabhängig von Inhalt und Verpackung gleichberechtigt weitergeleitet werden sollen. Die Arbeit der gleichnamigen Projektgruppe war durch produktive Diskussionen, aber auch von Dissens geprägt.

Die Mitglieder haben trotzdem Einigungen erreicht: Hinsichtlich der grundrechtlichen Dimension von Netzneutralität und ihrer Wichtigkeit für Meinungs- und Kommunikationsfreiheit bestand Einigkeit. Überfraktionell wurde Netzsperren als größtmöglicher Verletzung der Netzneutralität eine Absage erteilt. Ebenso hat man sich auf eine Definition zur Diskriminierungsfreiheit der Datenübertragung im Netz einigen können. Die bestehende Internet-Architektur mit der bestmöglichen Datenübertragung (Best Effort) wollen alle Sachverständige und Fraktionen stark ausbauen.

In den Abstimmungsergebnissen der Enquête wurden aber die Meinungsunterschiede deutlich. Es fand sich keine Mehrheit für die Einführung der sogenannten Qualitäts- oder Diensteklassen, mit denen die gleichberechtigte Übertragung von Daten aufgegeben würde. Aufgrund eines Patts fand sich aber auch bedauerlicherweise keine eindeutige Mehrheit für die gesetzliche Festschreibung des Grundsatzes der Netzneutralität.

Die in der Enquête-Kommission teilweise mit Verve vertretenen Positionen lassen sich gut dahingehend zusammenfassen, dass  einerseits eine gesetzliche Regelung befürwortet wurde, um die Freiheit der Datenkommunikation zu wahren, während das andere Lager im Vertrauen auf den Markt eine solche Regulierung ablehnt. Beide Seiten betonen jedoch die Wichtigkeit von Netzneutralität, die die Mehrheit der Sachverständigen und die Oppositionsfraktionen rechtlich absichern wollen.

So sprach sich Markus Beckedahl in aller Deutlichkeit für ein „echtes Netz“ aus, in dem Nutzerinnen und Nutzer Inhalte ihrer Wahl senden und empfangen können, Dienste und Anwendungen ihrer Wahl und Hardware und Software ihrer Wahl nutzen können. Für Erheiterung im Plenum und auf Twitter sorgte der Versprecher des von der FDP benannten sachverständigen Mitglieds Professor Gersdorf, der ein Plädoyer gegen die gesetzliche Regelung der Netzneutralität mit dem Wort „Netzneutralitod“ einleitete.

Dieser faux-pas stand dann aber nicht sinnbildlich für die Abstimmung der Handlungsempfehlungen, da ein Zwei-Klassen-Internet mit Einführung von Diensteklassen, die den Tod jeder Netzneutralität bedeutet hätte, keine Mehrheit fand. Auch nach der anstehenden Novelle des Telekommunikationsgesetzes wird das Thema der Netzneutralität die Politik in den nächsten Jahren noch intensiv beschäftigen. Die grüne Bundestagsfraktion sieht hier akuten Handlungsbedarf und hat deshalb einen Änderungsantrag zur Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz vorgelegt, über den wir noch ausführlich berichten werden.

Hier geht´s zur Projektgruppe Netzneutralität der Enquete-Kommission.

Hier geht´s zu unserem Antrag „Gegen das Zwei-Klassen-Internet – Netzneutralität in Europa dauerhaft gewährleisten“, den wir im Bundestag gestellt haben.

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