Die Notwendigkeit von Verbesserungen beim Beschäftigtendatenschutz wird schon lange diskutiert. Die 2009 von der Großen Koalition geschaffene Regelung des § 32 BDSG zum Arbeitnehmerdatenschutz gilt jedoch allgemein als Fehlschlag, weil sie lediglich zusätzliche Probleme aufgeworfen hat, anstatt die bestehenden zu lösen.

Auch wenn wir Grünen die Bereitschaft des Bundesinnenministeriums, sich diesem Themenfeld endlich zuzuwenden grundsätzlich positiv bewertet haben, sind die von der schwarz-gelben Bundesregierung bislang vorgelegten Entwürfe leider alles andere als der Weisheit letzter Schluss. Aus unserer Sicht bieten sie nicht die erforderlichen Verbesserungen für Beschäftigte gegenüber der geltenden Praxis.

Auch aus diesem Grund haben wir Bündnisgrünen uns dazu entschlossen, einen eigenen, sehr ausführlichen Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz vorzulegen. Unser Ziel war es, potentielle Lösungen für die aus unserer Sicht drängendsten Probleme in diesem Bereich aufzuzeigen.

Am 20. Juli 2010 haben wir begonnen, die Mitarbeit bei der Erstellung eines eigenen grünen Gesetzesentwurfs zum Beschäftigtendatenschutz mit Hilfe eines dafür eingerichteten Blogs www.beschaeftigten-datenschutz.de zu ermöglichen.

Wir haben unseren Gesetzentwurf als erste Fraktion im Deutschen Bundestag überhaupt allen interessierten Kreisen zur Diskussion gestellt und sind damit bewusst innovative Wege gegangen: Statt einfach einen fertig ausgearbeiteten Gesetzestext vorzulegen, war es unser Anliegen, sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die beteiligten Verbände und Organisationen frühzeitig und transparent in die Diskussion mit einzubeziehen. Hierdurch wollten wir eine breite Diskussion über die Ausgestaltung eines zukunftsfähigen Beschäftigtendatenschutzes ermöglichen und neue Ideen und Konzepte angemessen berücksichtigen.

An dieser Stelle auch noch einmal der Hinweis auf die erste Lesung des Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Beschäftigtendatenschutz. Meine Rede findet Ihr hier.

Gestern debattierte der Bundestag nun auf Antrag der SPD erneut über den Beschäftigtendatenschutz. Der Antrag der SPD „Weitere Datenschutzskandale vermeiden – Gesetzentwurf zum effektiven Schutz von Beschäftigtendaten vorlegen“ kritisierte deutlich das anhaltende Nichtstun der Bundesregierung in dem Bereich. An dieser Stelle dokumentiere ich meine gestrige Protokollrede.

Protokollrede Dr. Konstantin von Notz (B90/Die Grünen) vom 29.09.2011 zu Tagesordnungspunkt 10

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Ein moderner Datenschutz ist gerade in der heutigen Informationsgesellschaft von besonderer Bedeutung. Wir wollen ein hohes Datenschutzniveau. […] Hierzu werden wir das Bundesdatenschutzgesetz unter Berücksichtigung der europäischen Rechtsentwicklung lesbarer und verständlicher sowie zukunftsfest und technikneutral ausgestalten.“

Klingt gut. Könnte von uns sein. Oder gar vom Kollegen Wiefelspütz. Aber ich zitiere Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP.

So steht es nämlich in Ihrem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode mit dem Titel „Wachstum, Bildung und Zusammenhalt“.

In diesem Koalitionsvertrag steht auch, dass der Arbeitnehmerdatenschutz in einem eigenen Kapitel des Bundesdatenschutzgesetzes ausgestaltet werden wird.

Über zwei Jahre später ist das alles – nichts. Es ist nicht das Papier wert, auf dem es steht.

Sie haben großspurig angekündigt und dann nicht geliefert. Wie in so vielen Bereichen. Eben auch im Datenschutz.

Wir hatten hier vor mehreren Monaten eine 1. Lesung Ihres Gesetzes mit dünnen Eckpunkten, bei der die Kollegin Piltz gleich eine ellenlange Liste an Änderungen am eigenen Gesetzentwurf anmeldete. Und seither:  „Still ruht der See“.

Einige Herausforderungen im Bereich des Datenschutzes haben sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP ja im Koalitionsvertrag erkannt – immerhin.

Dennoch haben sie bis heute nichts auf den Weg gebracht.

Es gibt keine Stiftung Datenschutz, keine rote Linie und eben auch keine Reform des Bundesdatenschutzgesetzes.

Wie es Ihnen hier schon vielfach und zu recht attestiert wurde: Von einem zeitgemäßen Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ist bislang keine Spur. Auch im sonstigen Datenschutz ist diese Bundesregierung  weiterhin blank.

Das stößt nicht nur bei immer mehr Bürgerinnen und Bürgern auf Unsicherheit und Unverständnis. Inzwischen beklagen auch große Teile der Wirtschaft, die Unfähigkeit dieser Regierung, Ihrer Verpflichtung als Gesetzgeber gerecht zu werden. Und das völlig zu recht. Denn Unternehmen und junge Firmen müssen wissen, in welchem Rechtsrahmen sie sich bewegen.

Die Entwicklung, Ausbreitung und Qualität der IT-Technologie und des Internets in den letzten Jahrzehnten ist eine Revolution. Aber aufgrund Ihrer Arbeitsverweigerung hantieren wir noch immer mit einem Gesetz, aus einer Zeit als einfache Rechner noch riesig und sehr, sehr langsam waren. Mit den Formulierungen im Koalitionsvertrag zum Internet und zur Digitalisierung, wollten Sie sich ein progressives Image geben. Was sie liefern ist analog und 1.0.

Zum Arbeitnehmerdatenschutz: Wir wünschen uns auch weiterhin eine eigenständige gesetzliche Regelung. Sie wollen die Normen in ein Gesetz packen, dem sie selbst im Koalitionsvertrag größte Unverständlichkeit bescheinigen.

So oder so, ein Beschäftigtendatenschutzgesetz ist dringend erforderlich – das bestätigen alle unabhängigen Fachleute, das war das Fazit des Skandaljahrs 2008 (Skandale bei der Telekom, LIDL, Daimler usw.) das ist Ergebnis der Anhörung. Sie hat klar ergeben:

Eine Beschäftigtendatenschutzregelung schafft Klarheit in einem Umfeld, in dem Vertrauen die entscheidende Grundlage ist. Auch im Hinblick auf die unübersichtliche Rechtssprechung.

Und wir brauchen dringend effektive Schutzmaßnahmen hinsichtlich ausufernder Datenerhebungen bei Bewerbern sowie ausufernder Datenverarbeitungen zu Zwecken der Verhaltenskontrolle in den Betrieben. Zudem brauchen wir ein verbessertes internes Kontrollsystem.

Zum Antrag der SPD: Der Antrag der SPD holt nun lediglich nach, was die SPD in ihrem eigenen Gesetzesentwurf verschlafen hat. Dieser Entwurf kam noch aus Arbeitsministerium des ehemaligen Kollegen Scholz.  Heute ist offensichtlich, dass der Entwurf seinerzeit offensichtlich nicht ansatzweise die Priorität bekam, die angemessen gewesen wäre. Heute stellt sich die Frage, was nun eigentlich von Seiten der SPD gilt, der Entwurf des Kollegen Scholz oder der vorliegende Antragskatalog?

Immerhin deckt sich der Antrag zu 75 Prozent mit dem Gesetzentwurf, den meine Fraktion und ich an dieser Stelle vor einigen Monaten vorgelegt haben. Zumindest die 75 Prozent sind gut. Richtig finden wir zum Beispiel die Klarstellung, dass die Beschäftigten das Recht haben, sich bei Rechtsverstößen direkt an Datenschutzbeauftragte wenden zu können. Dissens haben wir aber zum Beispiel bei der strikten Ablehnung des Konzernprivilegs. Zugegeben es ist kompliziert, aber das schlichte Verbot hilft niemanden. Wer die Praxis kennt, der weiß, dass es sich um ein berechtigtes Anliegen der Arbeitgeber handelt, was eben beschäftigtenfreundlich ausgestaltet werden muss.

Also, wie so oft bei der SPD: Licht und Schatten. Trotzdem geht der vorliegende Antrag in die richtige Richtung. Man kann in der Tat nur hoffen, dass auch die Bundesregierung sich nun endlich besinnt und das Thema endlich ernsthaft angeht. Vielen Dank!

Wie immer gilt: Über Eure Kritik und Anregungen freue ich mich.

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