Vor wenigen Tagen hatten wir bereits über die Initiative des UN-Sonderberichterstatters zum Schutz und zur Förderung der Meinungsfreiheit, Frank La Rue, berichtet, der sich in einem für den Menschenrechtsrat der Generalversammlung der Vereinten Nationen verfassten Bericht (PDF) klar gegen staatliche Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, den Anschluss zum Internet zu unterbinden, ausgesprochen hatte.

Den Bericht La Rues hatten nun, wie heise berichtete, 41 Staaten unterzeichnet. In einer dazu abgegebenen Erklärung vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf hatte der schwedische Außenminister Bildt stellvertretend für die 41 Staaten betont, dass die Menschen im Internet die gleichen Grundrechte wie offline haben müssen. Die Fortschritte, die durch die Technik erzielt worden seien, sollten beschützt werden. In der gemeinsamen Erklärung sprechen sich die unterzeichnenden Staaten darüber hinaus für einen möglichst uneingeschränkter Zugang zu moderner Kommunikationstechnik aus und erklären in diesem Zusammenhang, dass die Neutralität der Netze und deren Offenheit in diesem Zusammenhang wichtige Ziel seien.

Unter den unterzeichneten Staaten finden sich Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Dänemark, Polen und die USA – Deutschland allerdings (noch) nicht. Anstatt über die Gründe der bisherigen Nicht-Unterzeichnung von Seiten Deutschlands zu spekulieren, haben wir es vorgezogen, die Bundesregierung in einer schriftlichen Frage nach ihren Gründen, die Erklärung bisher nicht unterzeichnet zu haben, zu fragen. Auch darüber hatten wir gebloggt.

Hier noch einmal die Frage, die wir am 15. Juni 2011 an die Bundesregierung gerichtet haben:

Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bisher den durch Sonderbeauftragten Frank La Rue vorgelegten UN-Bericht zur Meinungsfreiheit im Internet noch nicht unterschrieben (Heise online vom 15.6.2011) und wann wird sich die Bundesregierung den bisher 41 unterzeichnenden Staaten – darunter Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Dänemark, Polen und die USA – anschließen?

Gestern hat uns nun die Antwort der Bundesregierung, genauer des Auswärtigen Amtes, enthalten. Sie lautet:

„Der Sonderberichterstatter Frank La Rue hat am 3. Juni 2011 seinen Bericht vorgelegt. Die Bundesregierung begrüßt die Vorlage dieses Berichts und hat das innerhalb der Vereinten Nationen auch zum Ausdruck gebracht.

Auf Initiative Schwedens wurde eine regionalgruppenübergreifende Erklärung unter dem Titel „Freedom of Expression on the Internet“ erstellt und am 10. Juni 2011 im Menschenrechtsrat gehalten. Die Erklärung wurde von 41 Staaten mitgetragen, wobei Schweden die mitunterzeichnenden Staaten unter dem Gesichtspunkt eines möglichst ausgewogenen Regionalproporzes ausgewählt hatte.

Eine Zeichnung durch Deutschland ist daher aus Proporzgründen nicht erfolgt. Die Bundesregierung hat aber in den Beratungen ihre Wertschätzung der Arbeit von Herrn La Rue und ihre Zustimmung zu der Erklärung „Freedom of Expression on the Internet“ zum Ausdruck gebracht.“

Kurze Bewertung der Antwort der Bundesregierung:
Die Bundesregierung nennt als Grund der deutschen Nicht-Zeichnung der Erklärung den Umstand, dass man „aus Proporzgründen“ von schwedischer Seite nicht angefragt worden sei. Angesichts der Liste derjenigen Staaten, die die Erklärung unterzeichnet haben, darunter Österreich, die Schweiz, die Niederlande, Dänemark und Polen ist zumindest aus unserer Sicht ein „ausgewogener Regionalroporz“ nicht erkennbar. So wundert es angesichts der Tatsache, dass eine Mehrzahl der direkten Nachbarstaaten Deutschlands die Erklärung unterzeichnet haben schon, dass ausgerechnet Deutschland nicht angefragt worden sein soll.

Ein „ausgewogener Regionalproporz“ ist für uns zumindest auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Was dagegen auffällt, ist der Umstand, dass mit Großbritannien, Frankreich und Deutschland ausgerechnet diejenigen Staaten, die Erklärung nicht unterzeichnet haben, die entsprechende Gesetze bereits haben oder zumindest gerade prüfen lassen. So sprach sich der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, kürzlich gegenüber der Le Monde für die Einführung eines dem französischen Hadopi-Gesetzes vergleichbaren Modells ausgesprochen und ein ähnliches Modell, das rechtliche Sanktionen nach vorausgegangenen Verwarnungen bei Urheberrechtsverletzungen auch für Deutschland gefordert.

So heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf Fragen meines Kollegen Lars Klingbeil (SPD), dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie einen „Wirtschaftsdialog zur Bekämpfung der Internetpiraterie“ ins Leben gerufen habe und dass in Kürze eine „vergleichende Studie zu Warnhinweismodellen in anderen EU-Mitgliedsstaaten in Auftrag gegeben“ werde. Diese Studie solle dabei helfen, „solche Modelle im Hinblick auf ihre rechtlichen und technologischen Anforderungen und Möglichkeiten, ihre Eignung zur Bekämpfung der Internetpirraterie und damit in ihrer Verhältnismäßigkeit besser einschätzen zu können“. Die Frage, ob ein automatisiertes Warnhinweissystem, welches die flächendeckende Filterung des Datenstroms voraussetzen würde, oder aber ob die nach dem HADOPI-Modell vorgesehenen Internetzugangssperren auch nur ansatzweise verhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich zulässig sein könnten, bleibt jedoch mit Hinweis auf diese Studie, deren Ergebnisse abzuwarten seien, unbeantwortet.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Überlegungen von Seiten der Bundesregierung ist der zweite Teil der Antwort der Bundesregierung auf unsere Frage besonders interessant: So sei zwar eine Zeichnung der Erklärung durch Deutschland nicht erfolgt, dennoch habe die  Bundesregierung in den Beratungen ihre Wertschätzung der Arbeit von Herrn La Rue und ihre Zustimmung zu der Erklärung zum Ausdruck gebracht. An diese Zustimmung werden wir die Bundesregierung gerne erinnern, wenn die Ergebnisse der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gegebene Studie vorliegen und es erneut zu Forderungen kommen wird, ähnliche Modelle wie in Frankreich oder Großbritannien zukünftig auch in Deutschland anzuwenden.

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