Beim neuen Telekommunikationsgesetz muss die Bundesregierung dringend nachbessern. Wir Grüne sehen noch deutlichen Reformbedarf in einigen Bereichen: bei Breitbandversorgung, Wahrung der Netzneutralität, in der Frequenzpolitik, bei Verbraucher- und Datenschutz.

Schnelleres Breitband, echte Netzneutralität, konsequenter Datenschutz

In der Anhörung zur Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG), die am 8. Juni 2011 im Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestags stattfand, standen zentrale netzpolitische Fragestellungen zur Debatte. Der Widerspruch zwischen Zivilgesellschaft und Wirtschaftsinteressen ist bei den Themen Breitbandausbau, Netzneutralität, aber auch Verbraucherrechten, dem Rundfunk und Datenschutz in der Diskussion deutlich zu Tage getreten. Hier wurde einmal mehr greifbar, dass in Deutschland eine strukturierte, an Gemeinwohl und Bürgerrechten orientierte Netz- und Medienpolitik noch keine Selbstverständlichkeit ist. Die Stellungnahmen der Sachverständigen hatten wir auf gruen-digital bereits dokumentiert. Das zweieinhalbstündige Video kann hier angesehen oder beim Bundestag direkt heruntergeladen werden.

Breitband-Universaldienst zur Grundversorgung?

Im Rahmen der Anhörung wurde ein „Universaldienst“, der zur Sicherung der Grundversorgung mit schnellem Internet dient, unter anderem durch Cornelia Tausch von der Verbraucherzentrale Bundesverband und Bernd Rudolph von der Initiative geteilt.de nachdrücklich gefordert. Rudolph bezog sich auf Artikel 87f des Grundgesetzes, der den Staat zur Gewährleistung angemessener flächendeckender Telekommunikationsdienstleistungen verpflichtet.

Auf Nachfrage von Tabea Rößner, Sprecherin für Medienpolitik der grünen Bundestagsfraktion, bekannten sich mehrere Sachverständige zu einem dynamisch ausbaubaren Universaldienst, der immer wieder an die verfügbaren Bandbreiten angepasst wird. Der Münsteraner Professor Bernd Holznagel wies aus juristischer Sicht darauf hin, dass ein europarechtskonformer Universaldienst aktuell vier bis sechs MBit pro Sekunde umfassen kann. Einigkeit bestand darin, dass der bestehende Breitbandatlas bisher keine wirklich verlässliche Datengrundlage darstellt. Auch Lothar Schröder vom ver.di-Bundesvorstand zeigte sich gegenüber einem Universaldienst aufgeschlossen, während aus den Reihen der Telekommunikationsverbände Bedenken angemeldet wurden.

Netzneutralität sichern!

Auch bei der gesetzlichen Sicherung der Netzneutralität, für die wir Grüne als erste Fraktion einen Antrag (BT-Drucksache 17/3688) vorgelegt haben und für die sich mittlerweile auch LINKE und SPD einsetzen, wurden die unterschiedlichen Interesselagen mehr als deutlich. Dominik Boecker, Fachanwalt für Informationstechnologie, Cornelia Tausch und Bernd Holznagel wiesen allesamt darauf hin, dass die bisherigen Transparenzmöglichkeiten der TKG-Novelle eine neutrale, gleichberechtigte Datenübertragung im Internet nicht garantieren können.

Holznagel bemängelte, dass der Begriff „Netzneutralität“ im Gesetzestext nicht vorkomme und bei den vorgesehenen Kann-Bestimmungen für mehr Transparenz bei Netzeingriffen zu viele Akteure prüfen müssten. Boecker schlug daraufhin vor, für sachlich sinnvolles Netzwerkmanagement eine Positivliste bei der Bundesnetzagentur zu führen und darüber hinaus gehende Eingriffe zu verbieten.

Während der Berliner Professor Christian Kirchner nur eine ‚technische Netzneutralität‘ begrüßte und ökonomische Gleichbehandlung problematisierte, wies Cornelia Tausch entschieden auf die für Wirtschaft und Verbraucher unabsehbaren negativen Folgen eines durch Diensteklassen entstehenden „Mehr-Klassen-Internet“ hin.

Rundfunk nicht vergessen

Auch der Rundfunk spielt im TKG eine Rolle; die Vergabe der Frequenzen ist hier geregelt. Und was die Schienen für die Bahn sind, sind Frequenzen für den Rundfunk: Hierüber wird das Signal transportiert, damit beim Zuschauer etwas auf dem Bildschirm erscheint. Der Sachverständige Holznagel hat in der Anhörung anerkannt, dass die Interessen des Rundfunks gewahrt werden müssen. Er empfahl deshalb, eine bessere Kooperation zwischen den Rundfunkanstalten, den Landesmedienanstalten und der Bundesnetzagentur anzustreben.

Konsequenter Datenschutz anstelle der Vorratsdatenspeicherung

Konstantin von Notz, grüner Sprecher für Netz- und Innenpolitik, machte wie auch Dominik Boecker eindringlich auf die datenschutzrechtlichen Probleme des neuen Gesetzestextes aufmerksam. Diese seien bisher – wenn man von der wichtigen Stellungnahme des Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung absieht – sträflich unbeachtet geblieben.

Boecker hielt zum Abschluss der Anhörung ein flammendes Plädoyer für einen besseren Datenschutz in der Telekommunikation. Dazu gehört der Ausschluss der Vorratsdatenspeicherung generell, wie auch die Veränderung der fragwürdigen Detailregelungen des Paragraphen 100, welcher Telekommunikationsanbietern die Möglichkeit zur anlasslosen Profilbildung eröffnet. Aus verbraucherpolitischer Sicht ist zudem die Verschlechterung des Paragraphen 92, der bisher die Datenübermittlung an ausländische nicht öffentliche Stellen begrenzte, nicht hinnehmbar.

Wir Grüne werden uns im Zuge der weiteren Verhandlungen nachdrücklich für eine weitere Verbesserung des Telekommunikationsgesetzes einsetzen. Dies ist umso nötiger, da das TKG durch die Veränderungen unserer digitalen Medienkultur nicht mehr als Nischenthema behandelt werden kann, sondern als eine der zentralen Rechtsnormen der deutschen Informationsgesellschaft verstanden werden muss.

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