William Mark Felt Sr. brachte als Informant die Watergate-Affäre ans Licht. Paul van Buitenen stürzte mit seinen Enthüllungen 1999 die EU-Kommission.  Bradley Manning spielte wohl der Plattform WikiLeaks ein brisantes Video zu Luftangriffen in Bagdad zu sowie die Depeschen der US-Botschaften, die vergangenes Jahr teilweise veröffentlicht wurden. Jeder der drei sogenannten Whistleblower wählte einen anderen Weg, Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen: Über die Medien, das EU-Parlament oder eben WikiLeaks. Wer von ihnen hätte heutzutage die neue Plattform OpenLeaks genutzt?

Was ist OpenLeaks?

OpenLeaks ist eine neue Plattform, die unter anderem von ehemaligen WikiLeaks Mitarbeitern gestartet wurde. Bekanntester Name und Aushängeschild ist Daniel Domscheit-Berg. Anders als WikiLeaks plant OpenLeaks nicht selbst die ihnen zugespielten Dokumente zu veröffentlichen. Die potentiellen Whistleblower sollen über „anonyme Briefkästen“ Informationen und Dateien an vorher ausgewählte Adressaten zuspielen. OpenLeaks soll nur als Übermittler dienen, der zum einen  sicherstellt, dass die Übermittlung über einen sicheren Weg funktioniert. Zum anderen soll laut Ankündigung von Domscheit-Berg das Material anonymisiert werden, so dass die Empfänger nicht mehr erkennen können, wer ihre Quelle ist. Ob dies nur technisch geschehen soll oder ob OpenLeaks auch durch inhaltliche Veränderungen die Quellen schützen will, wird leider weder im Konzept, noch auf dem erklärendem Video von OpenLeaks verdeutlicht.

Informantenschutz

Dass Whistleblower ein hohes Interesse daran haben, anonym zu bleiben, zeigen die oben genannten Beispiele. Paul van Buitenen wurde beurlaubt, riskierte seine berufliche Existenz. Ihm ging es aber noch verhältnismäßig gut im Vergleich zu Bradley Manning . Der US-Soldat sitzt seit Juli 2010 in Einzelhaft und wartet auf seine Verhandlung. Gut vorstellbar, dass in anderen Ländern Whistleblowern ein noch schlimmeres Schicksal bevorstehen würde. Umso wichtiger ist es deshalb, die Informanten bestmöglich zu schützen.

Es gibt natürlich weltweit verschiedene gesetzliche Regelungen zu Informantenschutz. Manche Länder haben konkrete Gesetze zum Schutz von Whistleblowern, in anderen Staaten hat die Presse höchstens auf dem Papier Rechte. Die folgenden Überlegungen beschränken sich also auf den deutschen Rechtsraum.

Hier in Deutschland sind Informanten durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützt, dass Journalisten in Anspruch nehmen können. Dies regelt der Paragraph 53 der Strafprozessordnung, Absatz I, Nummer 5:

Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.

Es gilt aber nur für den Bereich des Journalismus, wenn jemand regelmäßig veröffentlicht oder zumindest beabsichtigt, dies regelmäßig zu tun. Dies wird im Gesetz durch den Begriff des “berufsmäßigen“ abgedeckt.

Aber gilt das auch für OpenLeaks? Die Plattform und ihre Macher wollen nicht veröffentlichen, sondern nur die oben erwähnten Briefkästen installieren. Ich stelle mir die Frage, ob die Macher von OpenLeaks im Falle eines Prozesses nicht gezwungen wären, die Informanten zu nennen. Oder können sie die Briefkästen wirklich so dezentral und technisch gesichert „aufstellen“, dass sie selbst die Herkunft nicht mehr nachvollziehen könnten, wenn sie wollten?

Die gleiche Frage kann man auch in Bezug auf die eigentlichen Adressaten der Informationen stellen, den Empfängern der Briefkasteninhalte. Laut OpenLeaks sollen Whistleblower selbst entscheiden können, an wen aus dem „OpenLeaks Community“ genannten Netzwerk die Informationen gehen sollen. Dies können Medien sein, aber auch NGOs (also Nichtregierungsorganisationen), Menschenrechtsorganisationen oder Gewerkschaften, so sagt es das Erklärungsvideo auf der Plattform.

Aber NGOS würden beispielsweise nicht unbedingt unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen und müssten dann wohl gegebenenfalls die erhaltenen Dokumente herausgeben.

Bisher ist OpenLeaks bei diesen Fragen eine klare Antwort schuldig geblieben. Vielleicht, weil diese rechtliche Problematik nicht zweifelsfrei geklärt werden kann – schon gar nicht im internationalen Zusammenhang. So bleibt bei mir ein ungutes Gefühl, ob man den potentiellen Whistleblowern nicht zu viel verspricht.

Weitere Schwierigkeiten beim Leaken aus journalistischer Sicht

Wenn nicht-journalistische Organisationen, wie NGOs oder Gewerkschaften, brisante Dokumente auswerten und veröffentlichen sollen, stellen sich weitere Fragen: Wie kann, vor allem bei großen Datenmengen, sichergestellt werden, dass  Persönlichkeitsrechte ausreichend gewahrt werden?

Wie bei den Botschaftsdepeschen kann es immer vorkommen, dass in den Dokumenten Personen benannt werden oder man auf Personen schließen kann. Was ist mit der Gefahr für diese Personen, wenn es sich um jemanden in einem militärischen Konflikt handelt? Oder beruflich, so dass es existenzbedrohend ist? Das ist im Redaktionsalltag eine wichtige journalistische und ethische Abwägung, der sich besonders investigativ arbeitende Journalisten täglich stellen müssen. Wie sollen und können die Partner von OpenLeaks diese Leistung garantieren?

Ein weiterer Aspekt ist vor allem aus journalistischer Sicht eminent wichtig: Die Verifizierung von Informationen. Eine Plattform wie WikiLeaks, wo Daten direkt veröffentlicht werden, kann natürlich auch gezielt genutzt werden, um bestimmte Informationen zu lancieren. Wer überprüft die Richtigkeit der Daten, wer kann sie einordnen, wer zieht weitere Quellen heran, um die Informationen zu überprüfen? Journalisten arbeiten nach dem Zwei-Quellen-Prinzip. Eine mögliche Einordnung können Organisationen, die sich in bestimmten Themenbereichen auskennen, vornehmen. Dennoch ist fraglich, wie es die OpenLeaks-Community damit halten wird.

Beides sind nebenbei auch Fragen, die sich auch WikiLeaks und ihre Nutzer stellen müssten. Denn auch hier wurden die Persönlichkeitsrechte nicht immer gewahrt. Und sicherlich werden  auch an WikiLeaks gefälschte Informationen weitgegegeben. Das Zwei-Quellen-Prinzip bedeutet nicht nur Aufwand, sondern auch Sicherheit für den Veröffentlichenden.

Noch viele offene Fragen

Wir GRÜNE sind für mehr Transparent und wollen Whistleblower so gut es geht unterstützen. Deshalb begrüße ich Initiativen wie OpenLeaks eindeutig, denn diese helfen, die Öffentlichkeit besser zu infomrieren. Gerade damit aber mehr Menschen den Mut haben, auf Missstände aufmerksam zu machen, müssen wir diesen den bestmöglichen Schutz geben.

Ein Kodex, dem sich die Leaking-Plattformen anschließen, könnte ein Weg sein: Darin könnten sich Betreiber und ihre Partner verpflichten, sich den wesentlichen journalistischen Grundsätzen anzuschließen. Kann man das von den Organisationen einfordern? Oder hemmt das jede Bemühung um Transparenz?
Über die oben angesprochenen Fragen diskutieren wir gerade sehr intensiv. Über Anregungen und Ideen, wie man aus dieser Zwickmühle herauskommt, freue ich mich sehr!

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