Grüne legen umfassenden Gesetzentwurf vor

Beim Beschäftigtendatenschutz stehen sich nun im Bundestag Gesetzentwürfe von Bündnis 90/Die Grünen und der Bundesregierung gegenüber. Die Regierung will möglichst wenig regeln, wir haben dagegen einen umfassenden Entwurf vorlegt, um Überwachung und Bespitzelung effektiv zurückzudrängen.

Mangelhafter Regierungsentwurf

Forderungen nach einem speziellen Gesetz für diesen Bereich gibt es bereits seit 30 Jahren. Die schwarz-rote Vorgängerregierung sah sich 2009 mit einer ganzen Serie von Datenskandalen konfrontiert (Deutsche Bahn, Telekom, LIDL, Daimler, Deutsche Bank). Sie meinte, sich im Wesentlichen mit einer einzigen neuen Bestimmung im Bundesdatenschutzgesetz dem Handlungsdruck entziehen zu können. Doch der Schuss ging nach hinten los. Die Neuregelung stiftete zusätzliche Verwirrung und löste keines der zahlreichen Probleme des Beschäftigtendatenschutzes. Der aktuelle Entwurf von Schwarz-Gelb droht nun zu einer Wiederauflage des Fehlers von 2009 zu werden. Er setzt am falschen Ort an, denn das Bundesdatenschutzgesetz gilt längst als überfordert und wurde von der Koalition selbst für refombedürftig erklärt. Es regelt zu knapp, denn wichtigste Fragen eines modernen Schutzkonzeptes wie etwa die Regelung privater Nutzung von Kommunikationsmitteln oder die Stärkung von Aufsichtsinstrumenten fehlen.

Der Regierung geht es ersichtlich nicht um den Schutz der Beschäftigten, sondern in der Mehrzahl der Bestimmungen um die Festschreibung der hoch umstrittenen Praktiken der Datenverarbeitung der Arbeitgeber zulasten der Beschäftigten. Ein besonders fragwürdiges Beispiel stellt die geplante Legalisierung präventiver Massenscreenings dar, mit denen der Generalverdacht im Betrieb hoffähig wird. Sie setzt damit eine Entwicklung fort, die unter dem Vorwand des Datenschutzes einseitig Rechtssicherheit vor allem für die Datenverarbeiter schafft und im Ergebnis die Rechte der Betroffenen aushöhlt. Darüber können auch einzelne Bestimmungen wie die vorgeblich restriktive Regelung heimlicher Datenerhebungen hinwegtäuschen. Sie sind inhaltlich zu unbestimmt formuliert, um den Beschäftigten hinreichenden Schutz vor unverhältnismäßigen Übergriffen durch die Arbeitgeber zu bieten. Und ein angebliches Verbot der verdeckten Videoüberwachung ist so gut wie nichts wert, wenn zugleich die offene Videoüberwachung in Betriebsräumen zum Zweck der Diebstahlsverhütung erlaubt wird. Damit findet eine de facto Ausweitung verdeckter Videoüberwachungen statt. Denn die Beschäftigten sehen nicht, welche Maßnahmen an den Monitoren ausgeführt werden. Sie sind vielmehr mit den vorgeblich offenen Videoüberwachungen einem anders gelagerten, schwerwiegenden täglichen Überwachungsdruck ausgesetzt.

Grüner Entwurf breit diskutiert

Wir Grüne haben zu Beginn dieser Legislaturperiode ebenfalls die Arbeit an einem Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz aufgenommen. Wir haben einen ersten Entwurf im Internet öffentlich zur Diskussion gestellt und damit Neuland in der politischen Arbeit der Parlamentsfraktionen betreten. Das Ergebnis hat uns überzeugt. Zahlreiche fachkundige Anregungen und Hinweise konnten wir unmittelbar bei der Gesetzeserstellung berücksichtigen und waren vom regen Interesse an unserem Versuch positiv überascht.

Leitbild informationelle Selbstbestimmung

Das inhaltliche Leitbild unseres jetzt vorgelegten Entwurfes ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Überwachung und Kontrolle von Beschäftigten in Betrieben und Verwaltung nimmt ständig zu. Das erreichte Ausmaß verletzt die Grundrechte der Betroffenen, der Betriebsfrieden ist in Gefahr. Im Beschäftigungsverhältnis scheint sich leider der Spruch „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, hartnäckig weiter zu halten. Und das wider besseren Wissens. Denn längst belegen Untersuchungen gegenteilige Effekte: Übermäßige Überwachung und Kontrolle verstärken Widerstände bei den Beschäftigten, sie senken die Kreativität und Produktivität. Menschen spüren, wenn man ihnen misstraut und wenn man ihnen nicht auf Augenhöhe begegnet. Das Betriebsklima ist ein zartes Pflänzchen, es will gehegt und gepflegt werden. Das betrifft auch Ausgrenzungen und Diskriminierungen in Bewerbungsverfahren, die über unverhältnismäßige Datenerhebungen ermöglicht werden. Gerade die Datenskandale der letzten Jahre haben gezeigt, welche verheerenden Folgen für Motivation und Ansehen von Unternehmen drohen, wenn Betriebe bei der Kontrolle ihrer Beschäftigten überziehen.

Angesichts der technischen Möglichkeiten umfassender Kontrolle und Überwachung in Betrieben bedarf es wesentlicher Veränderungen des bestehenden Beschäftigtendatenschutzes. Informationelle Selbstbestimmung gilt nicht nur im Verhältnis Bürger-Staat, sondern auch unter Privaten. Besondere Bedeutung erhält es dort, wo das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Bürgern und Unternehmen gravierend ist und es den Betroffenen insbesondere aus Furcht vor dem Verlust des für ihren Lebensunterhaltes entscheidenden Arbeitsplatzes an innerer Freiheit fehlt, die Durchsetzung ihrer Rechte unbefangen in die Hand zu nehmen. Wir wollen eine Grundrechtsbindung von Privaten, die den Namen auch verdient.

Überwachung zurückdrängen

Ziel des grünen Entwurfes ist eine möglichst umfassende Bearbeitung der bekannten Problemfälle des Beschäftigtendatenschutzes. Im Mittelpunkt steht die Zurückdrängung der ausgeuferten Überwachung von Beschäftigten. Massenscreenings werden untersagt, Videoüberwachungen nur in engsten Grenzen zugelassen, Inhaltskontrollen von E-Mail und Telefon untersagt, die Verkehrsdatenauswertung allenfalls in engen Grenzen zugelassen und die Aufsicht und Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen durch eine Whistleblowingklausel, Verbandsklagerechte, ausgeweitete Vorabkontrollen und erweiterte Mitbestimmungsrechte gestärkt. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte wird durch die Mitsprache des Betriebs- beziehungsweise des Personalrates bei seiner Bestellung gestärkt und erhält im Gegenzug erweiterte Kontrollrechte unter anderem gegenüber den Betriebs- oder Personalräten.

Schutz im Bewerbungsverfahren

In der Bewerbungsphase gibt es ein besonders hohes Schutzbedürfnis auf Seiten der Bewerberinnen und Bewerber. Der grüne Entwurf beschränkt Datenerhebungen auf das unbedingt Erforderliche und schließt Recherchen über Dritte hinter dem Rücken des Betroffenen eben so aus, wie er die Erstellung von verdeckten Internetdossiers als Grundlage für Bewerbungsverfahren gänzlich untersagt. Die Begrenzung der Zulässigkeit von Internetrecherchen auf soziale Netzwerke, wie es der Regierungsentwurf vorschlägt, halten wir für nicht abgrenzungsscharf und damit nicht realisierbar.

Pragmatische Lösungen auch für Arbeitgeber

Wir Grüne sind uns bewusst, dass das bestehende Datenschutzrecht die Arbeitgeber vor schwierige Umsetzungsprobleme stellt. Das nach unserem Regelungsansatz weiterhin zur Anwendung kommende Bundesdatenschutzgesetz muss deshalb rasch und grundlegend reformiert werden. Für besonders drängende Probleme wie die Frage des Konzerndatenschutzes, die verdeckte Videoüberwachung bei konkretem Straftatverdacht oder die in der Praxis weithin übliche private Nutzung der von Arbeitgebern angebotenen Kommunikationsmittel bietet unser Entwurf pragmatische Lösungen, die den notwendigen Interessenausgleich zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten im Blick behalten.

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