Am 5. Juli 2010 richtete ich folgende Frage bezüglich ACTA an die Bundesregierung:

Wie bewertet die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund, dass sie sich im Rahmen der „Friends of Transparency“-Initiative für eine verbesserte Transparenz bezüglich des Anti-Counterfeiting Agreement (ACTA)-Verfahrens einsetzt, den Umstand, dass bei der letzten Verhandlungsrunde in Luzern erarbeitete, aktuelle Verhandlungsentwurf nicht veröffentlicht werden soll und in welcher Form wird sich die Bundesregierung für eine Veröffentlichung des Textes einsetzen?

Die Bundesregierung antwortete am 9. Juli 2010 – also bereits vier Tage später – folgendermaßen:

Die Bundesregierung befürwortet die Veröffentlichung des in der letzten Verhandlungsrunde vom 28. Juni bis 1. Juli 2010 in Luzern erarbeiteten aktuellen vorläufigen Verhandlungstextes. Eine solche Veröffentlichung ist allerdings nur möglich, wenn dem alle ACTA-Verhandlungspartner zustimmen. Die Bundesregierung bedauert es, dass in der letzten Verhandlungsrunde keine Zustimmung aller ACTA-Partner erzielt werden konnte. Diese Einschätzung wird von der Europäischen Kommission geteilt, die sich unverändert für eine Veröffentlichung des aktuellen vorläufigen Verhandlungstextes einsetzt. Die Bundesrepublik wird die Europäische Kommission auch künftig in der Forderung nach Veröffentlichung des jeweils aktuellen Verhandlungstextes unterstützen.

Zur Antwort der Bundesregierung:

Bei einem Abkommen, dessen Veröffentlichung nur einer der Verhandlungspartner widersprechen muss, erscheint es mir allzu leicht, sich die Verantwortlichkeit für die Nicht-Veröffentlichung gegenseitig zuzuschieben. Da es in meinem Augen wünschenswert wäre zu erfahren, welcher Verhandlungspartner der Veröffentlichung des Abkommens widersprochen hat, werde ich versuchen, dies von Seiten der Bundesregierung in einer nächsten Anfrage zu erfahren. Auf die Antwort darf man gespannt sein.

Folgefrage, die ich am Montag, den 12.07.2010, an die Bundesregierung stellen werde:

Welche oder welcher Verhandlungspartner haben bzw. hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung gegen die Veröffentlichung des in der letzten Verhandlungsrunde vom 28. Juni bis 1. Juli 2010 in Luzern erarbeiteten, aktuellen ACTA-Verhandlungstextes ausgesprochen und ist es nach Ansicht der Bundesregierung, wenn es um die Erarbeitung eines Abkommens, dass nach Meinung zahlreicher Experten direkte Auswirkungen auf die Rechtssysteme sowohl der Europäischen Union als auch deren Mitgliedsstaaten hat, angebracht, wenn dessen Veröffentlichung nur durch einen der Verhandlungspartner verhindert werden kann?

UPDATE:

Mittlerweile ist die Antwort der Bundesregierung, namentlich von Bundesjustiztministerin Leutheusser-Schnarrenberger, eingetroffen. Sie lautet wie folgt:

„Wie bei den Verhandlungen zu Handelsabkommen üblich, haben die ACTA-Verhandlungspartner hinsichtlich der Verhandlungen zu ACTA grundsätzlich Vertraulichkeit vereinbart. Die Bundesregierung kann daher keine Auskunft darüber geben, welche oder welcher Verhandlungspartner sich in der letzten Verhandlungsrunde gegen eine Veröffentlichung des aktuellen ACTA-Verhandlungstextes ausgesprochen haben bzw. hat.

Eine Veröffentlichung des aktuellen Textes kann nur erfolgen, wenn dem alle ACTA-Verhandlungspartner zustimmen. Die Bundesregierung stellt dieses Einstimmigkeitserfordernis, das auf einer Gleichbehandlung aller Verhandlungspartner beruht, nicht in Frage.

Sie bedauert es allerdings, dass in der letzten ACTA-Verhandlungsrunde keine Zustimmung aller ACTA-Verhandlungspartner zur Veröffentlichung des aktuellen Verhandlungstextes erzielt werden konnte und wird die Europäische Kommission auch künftig in der Forderung nach Veröffentlichung des jeweils aktuellen Verhandlungstextes unterstützen. (vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 7/14)“

Zur Antwort der Bundesregierung:

Zur Antwort der Bundesregierung:

Die Bundesregierung, aber auch die Europäische Kommission, scheinen nach wie vor nicht verstanden zu haben, dass sich mit Inkraftreten des Vertrags von Lissabon das Rad der Zeit weiter gedreht hat und von der EU abgeschlossene, internationale Abkommen, wie ACTA, zwingend einer Zustimmung zumindest des Europäischen Parlaments bedürfen. Zudem handelt es sich beim ACTA-Abkommen nach Auskunft der Bundesregierung um ein so genanntes gemischtes Abkommen, was bedeutet, dass es auch durch den Bundestag ratifiziert werden muss.

Vor diesem Hintergrund ist die Antwort der Bundesregierung alles andere als befriedigend. Schließlich ist es für ParlamentarierInnen nicht hinnehmbar, ein vollständig in Hinterzimmern erarbeitetes Abkommen, das weitreichende Folgen für die Rechtssysteme der EU und ihrer Nationalstaaten hat, nach dem Motto „Friss oder stirb“ vorgesetzt zu bekommen, um es dann lediglich abschließend durchwinken zu müssen. Wir brauchen mehr Transparenz und eine offene und ehrliche Debatte über ACTA!

UPDATE II:

So schnell kann´s gehen: Mittlerweile ist der jüngste Verhandlungs-Entwurf von La Quadrature du Net veröffentlicht worden.

Den Entwurf findet Ihr auf den Seiten von La Quadratur du Net hier.

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