Zu dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie, welcher die europaweite Einführung von Netzsperren und neuer Straftatbestände vorsieht, erklären Jerzy Montag, Sprecher für Rechtspolitik, und Dr. Konstantin von Notz, Sprecher für Netzpolitik:

Wir sind überzeugte Europäerinnen und Europäer, aber auch engagierte Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler. Wir fordern mit Nachdruck wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch. Umso enttäuschter sind wir von dem jüngsten Vorschlag der EU-Kommission. Die geplanten Regelungen verfehlen das Ziel eines wirksamen Schutzes von Kindern vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung. Netzsperren sind kein wirksames Mittel zum Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und Ausbeutung. Da sie Aktivität suggerieren, die Inhalte tatsächlich jedoch im Netz zugänglich bleiben, sind sie letztlich kontraproduktiv.
Dennoch will die Europäische Kommission den Deutschen Bundestag im Zuge der Richtlinie zur Einführung von Netzsperren verpflichten. Die Bundesregierung hat es offensichtlich gegenüber der Kommission verpasst, die fraktionsübergreifende deutsche Ablehnung bei diesem Thema unmissverständlich klarzumachen.
Ein Schelm wer Böses dabei denkt. Denn die Bundesregierung hat schon in der Vergangenheit gemeinsam mit der Kommission „über Bande“ gespielt und versucht, im Bundestag gescheiterte Vorhaben über den Umweg Europa einzuführen. Das war so bei der Speicherung europäischer Fluggastdaten und bei der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Jetzt soll das gleiche Spiel bei der Einführung von Netzsperren anscheinend wiederholt werden. Wir Grünen machen dieses Spiel jedoch nicht mit.
Auch bezüglich der in der Richtlinie vorgesehenen Strafvorschriften schießt die Kommission weit über ihre Kompetenz hinaus. Außerdem hat sich die Kommission nicht einmal die Mühe gemacht, ihren Regelungsanspruch inhaltlich zu begründen. Dies ist nach den europarechtlichen Vorgaben zur Prüfung der Subsidiarität jedoch zwingend notwendig. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Lissabon-Entscheidung dem Bundestag aufgegeben, sorgfältig darauf zu achten, dass die Union sich nicht in Bereiche einmischt, die auf nationaler Ebene hinreichend geregelt werden können. Das Strafrecht ist als besonders sensibler Bereich anerkannt. Hier ist die Wachsamkeit des Bundestages besonders gefordert.
Wir werden daher in der nächsten Woche in den Fachausschüssen des Bundestages einen Antrag zur Abstimmung stellen, der die Kompetenzüberschreitung durch die Kommission kritisiert. Wir fordern alle anderen Fraktionen des Bundestages auf, sich unserer Subsidiaritätsrüge anzuschließen und so die demokratischen Rechte des Parlaments gegenüber Brüssel wahrzunehmen.
Seit dem Vertrag von Lissabon können nationale Parlamente erstmals rügen, dass die Union sich in Bereiche einmischt, die auf nationaler Ebene hinreichend geregelt werden können. Dies ist der erste Antrag dieser Art im Deutschen Bundestag.

Diese Pressemitteilung erscheint auch auf der Homepage der Grünen Bundestagsfraktion erschienen.

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